Schreckgespenst Deflation? - Schoellerbank Analysebrief Nr. 254 Juli 2014

  • Dem Pedant zur Inflation wurde bisher in Europa nur wenig Beachtung geschenkt. Was ist Deflation überhaupt?
  • In der Presse bzw. an den Finanzmärkten wird mittlerweile vermehrt über das Thema Deflation diskutiert. Die Europäische Zentralbank (EZB) gibt mit ihrer Geldpolitik ein eindeutiges Signal.
  • Aufgrund der aktuellen Inflationsentwicklung sind inflationsgeschützte Anleihen günstig am Markt zu erwerben.
  • Für Aktien ist die Preisentwicklung ein Faktor von vielen. Der wesentlichste Langfrist-Faktor ist aber die Gewinnentwicklung eines Unternehmens.

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Volkswirtschaftliche Betrachtung: Was ist Deflation?

Die volkswirtschaftliche Betrachtungsweise einer Wirtschaft ist grundsätzlich in vier verschiedene Phasen eingeteilt, welche nahtlos ineinander übergehen. Die Expansionsphase ist der erste Teil eines Konjunkturzyklus. Diese wird durch ein stetiges Wachstum wie zum Beispiel steigende Produktion, Löhne und Investitionen begleitet. Durch das anhaltende Wachstum geht die Konjunktur bis hin zu einer Hochkonjunktur. In diesem Fall spricht man auch von einem "Boom". Es herrscht Vollbeschäftigung, die Preise steigen und das Inflationsrisiko nimmt deutlich zu. Die Kaufkraft des Geldes sinkt aufgrund der vorhandenen Geldmenge im Vergleich zum Angebot an Waren und Dienstleistungen. In der nächsten Phase beginnt das Stimmungsbild zu kippen und die Wirtschaft gleitet in eine Rezession ab. Die Aussichten trüben sich ein, die Nachfrage sinkt und die Unternehmen beziehungsweise die privaten Haushalte beginnen zu sparen. Der Tiefpunkt und somit die letzte Phase eines Konjunkturzyklus wird mit dem Erreichen der "Depression" eingeläutet. Zum Glück kommen Depressionen sehr selten vor. Neben einer schlechten wirtschaftlichen Verfassung, steigender Arbeitslosigkeit, sinkenden Preisen, einem Überangebot an Waren und Dienstleistungen ist diese Phase, in der die Wirtschaft nicht mehr rund läuft, in der Regel auch durch sinkende Zinsen gekennzeichnet. In diesem Umfeld nimmt auch die Gefahr einer Deflation zu. Unter Deflation versteht man eine wirtschaftliche Entwicklung, bei der zum einen die Kaufkraft einer Währung steigt, gleichzeitig aber die für die Realwirtschaft verfügbare Geldmenge deutlich zurückgeht und folglich dem Wirtschaftskreislauf nicht mehr zur Verfügung steht. Daraus kann sich ein Spiraleffekt ergeben, der mit sinkenden Preisen aufgrund Konsumverzicht beginnt, folglich die Wirtschaftsleistung reduziert, niedrigere Löhne und dadurch mehr Arbeitslose hervorbringt und mit zusätzlicher Verunsicherung und Kaufzurückhaltung endet. Es ist daher kein Wunder, wenn Menschen Angst vor den Folgen einer Deflationsspirale haben.

Seit der Finanzkrise und ihren zum Teil verheerenden Folgen auf die einzelnen Volkswirtschaften im Euroraum wurden eine Reihe von geldpolitischen Maßnahmen getroffen, um wirtschaftliche Impulse zu geben. Trotz dieser Maßnahmen scheint sich die nachhaltige Konjunkturerholung hinauszuzögern und es werden immer wieder Befürchtungen einer deflationären Entwicklung laut. In der Presse wird laufend über die Auswirkungen sinkender Preise auf die Konjunktur gewarnt. Die möglichen Ursachen einer negativen Teuerung im Detail Doch die Deflation verliert ein gewisses Maß an Schrecken, wenn man versucht nachzuvollziehen, warum die Preise sinken und unter welchen Voraussetzungen eine negative Teuerung gefährlich wird. Die Makroökonomie versucht Unterschiede eines deflationären Umfelds zu definieren und leitet davon ab, warum sich dadurch eine Konjunkturerholung verzögert. Mögliche Ursachen wären zu hohe Realzinsen, eine schwer umsetzbare Kürzung der Nominallöhne, um die Lohnkosten in den Griff zu bekommen oder die Erwartung rückläufiger Preise. All diese Faktoren haben zur Folge, dass die Investitionsbereitschaft zurückgeht, beziehungsweise verschoben wird. Von hohen Realzinsen kann im aktuellen Umfeld keineswegs gesprochen werden. Mit einem EZB-Satz von 0,15% wird nicht einmal die ebenfalls niedrige Inflation in der Eurozone von derzeit 0,5% abgedeckt. Hier kommt es, im Gegenteil, sogar zu einem Realzinsverlust. Bei den Lohnkosten zeigte sich in den letzten Jahren ein deutlicher Trend zu flexiblen Arbeitszeit- und Entlohnungsmodellen. Dass diese nicht immer zugunsten des Arbeitsnehmers ausgestaltet sind, ist nachvollziehbar. Schwierige Rahmenbedingungen in verschiedensten Branchen schafften hier in der Vergangenheit entsprechenden Verhandlungsspielraum für Unternehmen. Die hohe Arbeitslosigkeit in der europäischen Peripherie, wo oft jeder Vierte ohne Job auskommen muss, deutet darauf hin, dass diese Länder ihre Wettbewerbsfähigkeit zum Teil eingebüßt haben. Viele Ökonomen gehen davon aus, dass dies an den relativ hohen Löhnen in diesen Ländern liegt. Die einzigen zwei Möglichkeiten wieder relativ rasch die Wettbewerbsfähigkeit herzustellen, wäre, den Euro deutlich zu drücken, dann hätte man zumindest wieder gegenüber den Nicht-Eurozonen-Mitgliedern einen Teil des Wettbewerbsnachteils aufgeholt. Das ist aber schwierig, da praktisch alle Nationen versuchen, ihre Wettbewerbsfähigkeit durch eine schwache Währung zu stützen. Als zweite Möglichkeit kommt nur die "interne" Abwertung in Frage. Darunter versteht man die Senkung der Löhne. Das wiederum könnte eine negative Lohn-Preis-Spirale in der Euro-Zone auslösen. Vor diesem Hintergrund sind auch die jüngsten sehr weitreichenden Maßnahmen der EZB einzureihen. Eine durch Produktivitätsverbesserungen ausgelöste rückläufige Preisentwicklung wirkt sich sogar positiv auf die Wirtschaft aus. So gab es zum Beispiel im 19. Jahrhundert lange Zeiträume, in denen eine geringe Deflation bei gleichzeitig hohem Wirtschaftswachstum herrschten. Aber auch speziell in der Technologiebranche kann man diese Entwicklung bestens nachvollziehen. Denn hier stieg über die Jahrzehnte die Leistung der Produkte um ein Vielfaches und gleichzeitig reduzierten sich die Verkaufspreise entsprechend. Gesamtwirtschaftlich gesehen kann also eine leichte Deflation auch dahingehend interpretiert werden, dass eine Volkswirtschaft die Fähigkeit besitzt, ihre Produktivität zu erhöhen und gleichzeitig den Wohlstand fördert.

Bei einer hohen Verschuldung einer Volkswirtschaft ergibt sich ein ganz anderes deflationäres Risiko. Denn dann ist es das Ergebnis eines Entschuldungsprozesses, bei dem der Umstand einer Deflation krisenverstärkend wirkt, da sie die reale Schuldenlast erhöht. Denn für eine Volkswirtschaft bedeutet das, dass ihre kreditfinanzierten Güter an Wert verlieren, während die Refinanzierungskosten gleich bleiben. Um dem entgegenzuwirken, ist es unumgänglich, eine Volkswirtschaft mit harten Einschnitten und Budgetüberschüssen gesund zu sparen. Dieses Unterfangen ist jedoch bei geringem fundamentalen Wachstum schwierig umzusetzen. Eine andere Form deflationäre Tendenzen umzukehren, um wieder ein inflationäres Umfeld zu schaffen, ist die Verschuldung einer Volkswirtschaft zu erhöhen. Durch die massive Ausweitung der Liquidität soll die Investitionsbereitschaft steigen, um so der Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen. Die heutige Lage in Europa wird gerne mit dem Krisenverlauf in Japan verglichen. Die moderate deflationäre Entwicklung in Japan zeigt nämlich, dass es möglich ist in eine Deflation abzurutschen ohne die Gefahr erkannt zu haben und wie hartnäckig es ist, diese wieder dauerhaft zu überwinden. Die Preisstabilität als Ziel der EZB In der Europäischen Union ist die Europäische Zentralbank (EZB) mit der Gestaltung und Umsetzung der Wirtschafts- und Währungspolitik betraut, um für Preisstabilität zu sorgen. Als Rahmenvorgabe wurde eine Teuerungsrate von rund 2% p.a. festgelegt. Um dieses Ziel zu erreichen, stehen der EZB verschiedenste Instrumente zur Verfügung. Mit ihrer derzeitigen ultralockeren Geldpolitik geht die EZB das Risiko ein, dass das Pendel wieder auf die andere Seite ausschlagen könnte und die augenblicklich vorherrschenden Deflationssorgen wieder in Inflationssorgen umschwenken. Aus unserer Sicht ist daher im Augenblick das Umfeld günstig, um sich gegen Inflationsrisiken durch erstklassige inflationsgeschützte Anleihen abzusichern. Aufgrund der allgemeinen Sorge betreffend einer möglichen Deflation sind derartige Produkte derzeit günstig. Auf der Aktienseite hatten wir in der Vergangenheit auch während Deflationsphasen starke Anstiege - aber auch wie in Japan - erhebliche Rückschläge zu verzeichnen. Die relativ starke Deflation der 1920er Jahre in den USA (siehe Graphik) ist dagegen ein Beleg, dass selbst bei stark fallenden Preisen die Aktienmärkte einen regelrechten Boom erleben können. Die Entwicklung der Aktienbörsen ist von vielen Faktoren abhängig. Die Preisentwicklung ist sicherlich ein Faktor, allerdings ist es aus historischer Sicht wesentlich wichtiger, wie sich die Gewinne der Unternehmen entwickeln. Unserer Ansicht nach sollte man folglich nicht den Fehler begehen, nur aus Angst vor einer vermeintlich leichten Deflation aus dem Aktienmarkt auszusteigen.

Quelle: Ned Davis Research

Fazit Durch die deutliche Positionierung der EZB gehen wir nicht von einer stark deflationären Entwicklung aus. Wir lassen vielmehr eine mögliche Inflationsentwicklung nicht außer Acht. Denn für die aktuelle Inflationsentwicklung sind, unserer Meinung nach, vordergründig die deutlichen Preisrückgänge bei Energieträgern und die hohen Arbeitslosenraten in der Peripherie mitverantwortlich. Natürlich haben auch andere preistreibende Faktoren vorübergehend abgenommen und die weiterhin angespannten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unterstützen diesen Trend. Wir fühlen uns mit der Aktienpositionierung "Übergewichtet" in unseren Schoellerbank Vermögensverwaltungsvarianten wohl. Generell, aber auch im Falle eines deflationären Szenarios, sollte sich ein Investor bei Aktieninvestments auf internationale Konzerne mit entsprechenden Wettbewerbsvorteilen, einem nachhaltigen Geschäftsmodell, geringer bis keiner Verschuldung sowie auf stabile Cashflows konzentrieren. Im Rentenbereich gefallen uns derzeit ausgesprochen günstig gepreiste inflationsgeschützte Anleihen.

Michael Kastler, CPM Analyst/Fondsmanager Tel. +43/662/86 84-2694 Rückfragen bitte auch an: Mag. Rolf Reisinger, Direktor Kommunikation und Public Relations Schoellerbank AG Tel: +43/662/86 84-2950 5024 Salzburg, Schwarzstraße 32

Die Schoellerbank, gegründet 1833, ist eine der führenden Privatbanken Österreichs, die als Spezialist für anspruchsvolle Vermögensanlage gilt. Sie konzentriert sich auf die Kernkompetenzen Vermögensanlageberatung, Vermögensverwaltung und Vorsorgemanagement. Ihre Anlagephilosophie definiert sich über das Motto "Investieren statt Spekulieren". Die Schoellerbank ist mit 12 Standorten und 315 Mitarbeitern die einzige österreichweit vertretene Privatbank. Sie verwaltet für private und institutionelle Anleger ein Vermögen von rund 9,0 Milliarden Euro. Die Schoellerbank ist eine 100%ige Tochter der UniCredit Bank Austria.
Mehr Informationen unter: www.schoellerbank.at

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