EU-Erbrechtsverordnung: Große Auswirkungen auf die eigene Nachfolgeplanung - Schoellerbank Analysebrief Nr. 270 Mai 2015

  • Die neue EU-Erbrechtsverordnung hat erhebliche Auswirkungen auf Erbfälle mit grenzüberschreitenden Sachverhalten bzw. internationalem Bezug - auch bei Drittstaaten wie z. B. der Schweiz und den USA

  • Die Verordnung bestimmt das Recht des Staates, das im Erbfall anzuwenden ist - Aufenthaltsprinzip statt Staatsangehörigkeitsprinzip - und sieht neue Rechtswahlmöglichkeiten für den Erblasser vor

  • Die Verordnung lässt das materielle Erbrecht der Mitgliedstaaten unberührt und ändert ebenfalls nichts an den auf den Nachlass anwendbaren Steuervorschriften, die nach wie vor einzelstaatlichem Recht unterliegen

  • Jeder sollte sich rechtzeitig Gedanken zur Regelung des eigenen Nachlasses und zur individuellen Nachfolgeplanung machen, insbesondere wenn möglicherweise künftig ein fremdes Erbrecht zur Anwendung kommen könnte

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Die Details Die Auswirkungen der neuen EU-Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO) auf die eigene Nachfolgeplanung und Beratungspraxis werden weitgehend unterschätzt. Die Zeit bis zur Geltung des neuen Rechts sollte zur Anpassung aktueller Testamentserrichtungen an die künftige Rechtslage genutzt werden. Am 16. August 2012 ist die europäische Verordnung zum internationalen Erb- und Erbverfahrensrecht EU-Erbrechtsverordnung* (Verordnung EU Nr. 650/2012, EU-ErbVO) in Kraft getreten. Für Erbfälle ab dem 17. August 2015 kommt die EU-ErbVO zur Anwendung. Damit wird das Internationale Erbrecht weitreichend umgestaltet.

*) Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, ABl 27.7.2012, L 201/207. Im Internet abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2012:201:0107:0134:DE:PDF.

Mit der EU-ErbVO werden drei Ziele bei Erbfällen mit Auslandsbezug verfolgt: Die Gewähr für berechenbare und kohärente Vorschriften und damit Rechtssicherheit, mehr Spielraum für die Betroffenen bei der Wahl des auf ihren Nachlass anzuwendenden Rechts sowie die Wahrung der Rechte von Erben und/oder Vermächtnisnehmern und sonstigen Beteiligten. Auslandsbezug ist gegeben, wenn der Erblasser Vermögen (z. B. Immobilien, Gesellschaftsbeteiligungen oder Bankvermögen) im Ausland hinterlässt, selbst im Ausland gelebt hat, oder wenn ein Beteiligter eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt.

Die internationalen Beziehungen der Menschen in Europa haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Da auch immer mehr Menschen Vermögen im Ausland besitzen bzw. im Ausland ansässig sind, stellen sich für diese Betroffenen viele erbrechtliche Fragen, wodurch hoher Beratungsbedarf bei der Nachfolgeplanung gegeben ist. Die folgende Kurzdarstellung soll Einblicke in die Auswirkungen der EU-ErbVO mit Fokus auf die zukünftige Bestimmung des anwendbaren Rechts geben. Grundlegender Wandel im internationalen Erbrecht: Aufenthaltsprinzip löst Staatsangehörigkeit ab Heute ist die Staatsbürgerschaft des Erblassers für das anzuwendende Recht relevant (Staatsangehörigkeitsprinzip/Heimatrecht). Nach Inkrafttreten der EU-ErbVO ist der Anknüpfungspunkt, für das auf einen Todesfall anwendbare Recht, der letzte gewöhnliche Aufenthalt bzw. Ort des letzten Lebensmittelpunktes (Aufenthaltsprinzip als Regelfall) oder das Heimatrecht (Optionsmöglichkeit) des Erblassers. Der Rechtsbegriff des "gewöhnlichen Aufenthaltes" ist nicht eindeutig definiert. Die Ermittlung der für den jeweiligen Erbfall zuständigen Behörde erfolgt anhand jeden Einzelfalles durch eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers. Als Bestimmungskriterien werden alle Umstände herangezogen, die erkennen lassen, dass ein Aufenthalt nicht nur vorübergehend war. Eine große Rolle spielt hierbei der Schwerpunkt des sozialen Umfelds (insb. familiäre und berufliche Beziehungen). Die neuen Vorschriften gelten für das gesamte bewegliche und unbewegliche Vermögen (z. B. Immobilien, Unternehmen, Gesellschaftsanteile) des Erblassers. Die Privilegierung von ausländischem Vermögen über die Nachlassspaltung wird aufgegeben. Der gesamte Nachlass eines Erblassers wird somit einheitlich einer Rechtsordnung, nämlich der des Heimatlandes oder des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes, unterstellt. Die EU-ErbVO legt lediglich einheitliche Regeln dafür fest, welches Erbrecht auf einen internationalen Erbfall anwendbar ist. Die Verordnung hat jedoch keinen Einfluss auf das Erbschaftsteuerrecht und das Zivilrecht auf der jeweiligen nationalen Ebene (materielles Erbrecht). Möglichkeit der erbrechtlichen Rechtswahl Die EU-ErbVO gewährt eine eingeschränkte Rechtswahlmöglichkeit. Danach kann der Erblasser für seinen Nachlass sein Heimatrecht, also das Recht des Staates dem er zum Zeitpunkt seines Todes oder zum Zeitpunkt der Rechtswahl angehört, wählen (Rechtswahlklausel im Testament). Diese Rechtswahl hat Vorrang vor dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt. Die Rechtswahl ist formgültig, wenn sie eine der für Verfügungen von Todes wegen vorgesehene Form einhält. Änderungen oder Widerruf einer Rechtswahl sind formgerecht erfolgt, wenn die Formvorschriften einer letztwilligen Verfügung beachtet werden. Internationale Zuständigkeiten Für Entscheidungen in Erbsachen sind zukünftig in Bezug auf den gesamten Nachlass ausschließlich die Gerichte oder sonstige staatliche Behörden des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers zuständig. Dies soll für erhebliche Erleichterung bei Erbfällen mit Auslandsbezug sorgen und wird darüber hinaus den sogenannten Wettlauf der Erben zu den "angenehmsten" Gerichten unterbinden.

Europäisches Nachlasszeugnis Die EU-ErbVO führt das europäische Nachlasszeugnis ein. Mit diesem Zeugnis können die Erben europaweit, mit Ausnahme von Dänemark, Irland und Großbritannien, ihre Erbenstellung nachweisen. Das Zeugnis hat Legitimationswirkung und vermittelt Gutglaubensschutz. Es verdrängt nicht die nationalen Erbnachweise, sondern tritt alternativ neben diese. Bis dato benötigen die Erben für jedes Land, in dem sie Ansprüche am Nachlass geltend machen wollen, einen eigenen Nachweis z. B. die österreichische Einantwortungsurkunde oder den deutschen Erbschein. Die Anforderung dieser Dokumente ist häufig mit einer erheblichen Gebührenbelastung und einem großem Zeitaufwand verbunden. Keine Harmonisierung des materiellen Erbrechts in der EU und der Besteuerung Die EU-ErbVO führt zu keinen Änderungen im nationalen materiellen Erbrecht (gesetzliche Erbquoten, Pflichtteile etc.), nationalen Erbschaftsteuerrecht (unter Beachtung vorhandener Doppelbesteuerungsabkommen), nationalen materiellen (ehelichen) Güterrecht, kollisionsrechtlichen Regelungen zum Güterrecht und Prinzip der Nachlasseinheit. Anwendung der EU-Erbrechtsverordnung Die EU-ErbVO kommt in allen EU-Staaten - außer Dänemark, Irland und Großbritannien - zur Anwendung und gilt auch im Verhältnis zu Staatsangehörigen oder Ansässigen außerhalb der teilnehmenden Staaten, z. B. Schweizern oder US-Amerikanern, wenn diese Vermögenswerte in der EU hinterlassen. Handlungsbedarf Da die EU-ErbVO keinen Einfluss auf nationales Recht ausübt, gibt es für österreichische Erbfälle ohne internationalen Bezug keine wesentlichen Änderungen. Personen mit Auslandsbezug sollten jedoch unbedingt ihre bestehende Nachfolgeplanung überprüfen, ob diese an die neue Rechtslage anzupassen ist. Empfehlenswert ist die gründliche Überprüfung bereits erstellter Testamente oder sonstiger Verfügungen von Todes wegen auf Themen, wie Formgültigkeit, Erforderlichkeit einer Rechtswahl zur Klarstellung oder Option auf Heimatland (Ergänzungsklausel im Hinblick auf die Rechtswahl), Unwirksamkeit getroffener Gestaltungen (Beispiel Nachlassspaltung, Rechtswahl, Gerichtsstandwahl), Überprüfung der Maßnahmen der vorweggenommenen Erbfolge (Schenkung unter Lebenden) in Zusammenhang mit letztwilligen Verfügungen sowie die Überprüfung gesellschaftsvertraglicher Regelungen und bereits erfolgter Übertragungen im Hinblick auf letztwillige Verfügungen und anwendbares Recht im Erbfall. FAZIT Die neue EU-Erbrechtsverordnung soll die derzeitige Rechtsunsicherheit bei der Beurteilung internationaler Erbfälle beseitigen. Die Verordnung legt einheitliche Regelungen fest, welchem Erbrecht ein grenzüberschreitender Erbfall unterliegt. Geltendes nationales Erbschaftssteuerrecht und nationale Erbrechtsregelungen bleiben von der Verordnung unberührt - das bedeutet, dass die Frage, wer wie viel erbt, weiterhin von den Mitgliedstaaten geregelt wird. Die Überprüfung der Notwendigkeit einer entsprechenden Anpassung bereits bestehender Nachfolgeregelungen, beispielsweise im Rahmen des Financial Planning der Schoellerbank, an das neue Recht ist unbedingt zu empfehlen. Außerdem ist darauf zu achten, dass diese Regelungen bis zum Stichtag sowohl den alten als auch den neuen Bestimmungen entsprechen sollten. Da Nachlassfragen grundsätzlich sehr kompliziert sein können, empfiehlt es sich juristischen Rat heranzuziehen und einen entsprechenden Notar oder Rechtsanwalt zu kontaktieren.

Autor: Mag. Elke Esterbauer, CFP®, EFA® Spezialistin für Vermögensweitergabe Wealth Advisory / Tax, Foundations & Estate Planning Schoellerbank AG Tel. +43/662/86 84-2397 Rückfragen bitte auch an: Marcus Hirschvogl, BA Pressesprecher Schoellerbank AG Tel. +43/1/534 71-2950 1010 Wien, Renngasse 3 marcus.hirschvogl@schoellerbank.at

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