Das Zins-Dilemma: Auswirkungen für institutionelle und private Investoren - Schoellerbank Analysebrief Nr. 295, Mai 2016

  • Institutionelle Investoren unterliegen starken Regulierungen die dem Anlegerschutz dienen, aber nicht immer zielführend sind
  • Sinkende Zinsen führten zwar zu positiven "Ertragsüberraschungen", doch niedrige Zinsen erschweren die Wiederanlage und damit das Erreichen von Auszahlungsverpflichtungen
  • Die Auswirkungen des Dilemmas haben auch spürbare Folgen für viele private Investoren
  • Steigende Zinsen führen zu Kursverlusten
  • Zum Ziel führen: Mehr Freiheit in der Veranlagung, längere Mess-Intervalle und vor allem: Aktien

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Insbesondere institutionelle Investoren klagen seit Jahren, dass sie unter dem Niedrigzinsumfeld leiden. Beispielsweise seien die von Versicherungen eingegangenen Auszahlungsverpflichtungen im extremen Niedrigzinsumfeld kaum mehr zu erwirtschaften. Auch Pensionskassen kämpfen Jahr für Jahr, um ihren Rechnungszins zu erreichen. Wie funktioniert ein institutioneller Investor? Als institutionelle Investoren bezeichnet man beispielsweise klassische Lebensversicherungen oder Pensionskassen. Versicherungsnehmer schließen einen Vertrag, der ihnen eine fixe Leistung zugesteht. Diese besteht bei einer klassischen Lebensversicherung aus dem Garantiezins, dessen (maximale) Höhe für Neuverträge gesetzlich geregelt ist. Pensionskassen veranlagen Beiträge von Arbeitgebern, die ab Pensionsantritt den (dann ehemaligen) Arbeitnehmern als Rente ausbezahlt werden. Sie arbeiten mit einem Rechnungszins. Wird dieser erreicht oder übertroffen, ist alles gut bzw. können Pensionen sogar erhöht werden. Kann dieser Rechnungszins hingegen in einer Periode mit der Veranlagung nicht erwirtschaftet werden, müssen Pensionen gekürzt werden, oder die Pensionskasse kann auf eine allfällig existierende Schwankungsrückstellung zurückgreifen - was zuletzt kaum der Fall war. Die teilweise negative öffentliche Meinung gegenüber Versicherungen oder Pensionskassen vergisst oft eine wesentliche Komponente: Institutionelle Investoren verwalten das Kapital vieler Kleinanleger, Vorsorger oder Arbeitnehmer, also Vorsorge- oder Rentenansprüche breiter Bevölkerungsschichten. Die Auswirkungen des Zins-Dilemmas der institutionellen Investoren werden somit auch für viele private Investoren deutlich spürbar. Optimale Veranlagungsentscheidungen im Sinne der vielen Begünstigten stellen demnach ein legitimes Interesse dar.

Die beiden genannten Veranlagungsmodelle laufen üblicherweise sehr lange, die Vertragslaufzeiten betragen oft 30 Jahre (bei Versicherungen) oder sogar deutlich mehr (bei Pensionskassen, von Eintritt beim Arbeitgeber bis zum Tod). Bei Verträgen, die beispielsweise vor 15 Jahren abgeschlossen wurden, sind Garantiezinsen über 3% keine Seltenheit, Rechnungszinssätze von Pensionskassen aus dieser Zeit erreichten häufig sogar deutlich höhere Werte. Diese institutionellen Investoren müssen also in der Veranlagung diese Zinssätze - teilweise nach Kosten - durch geschickte Veranlagung "verdienen". Dabei sind die zulässigen Veranlagungsinstrumente eingeschränkt. Auch ist vor allem in Kontinentaleuropa der Wille zu einer höheren Aktienquote kaum vorhanden: Die meisten dieser Veranlagungen waren und sind sehr "zinslastig". Viele Jahre war das Erreichen der garantierten Zinssätze trotz niedriger Marktrenditen möglich, weil die Marktzinsen laufend weiter sanken. Und sinkende Zinsen bedeuten steigende Kurse. Beispiel Von April bis September 2011 sind die 10-jährigen Zinsen um 1,33 Prozentpunkte gesunken (10-jährige österreichische Staatsanleihen-Rendite von 11.04.2011 bis 22.09.2011). Der Kurs der damals 10-jährigen Staatsanleihe hat in diesem Zeitraum um 12% zugelegt.

Quelle: Bloomberg. Performanceergebnisse der Vergangenheit sollten zu Ihrer Information dienen, lassen jedoch keine Rückschlüsse auf künftige Entwicklungen zu.

Man könnte also sagen, dass die Marktentwicklung die Erträge der Zukunft in heutige Erträge umgewandelt und diese vorweggenommen hat. Unangenehmes Detail am Rande: Diese Erträge wurden - zum Teil aufgrund gesetzlicher Vorgaben - bereits den Vertragshaltern gutgebucht, als Überschussbeteiligungen bei Versicherungen oder als Pensionserhöhung bei Leistungsberechtigten der Pensionskassen. Zu einem (zu) geringen Teil wurden auch Schwankungsrückstellungen gebildet (vgl. Holzer: Zinsgarantien in Lebensversicherung, Pensionskasse, Mitarbeitervorsorgekasse, Versicherungsrundschau 06/2003). Ab einer bestimmten Dauer niedriger Zinsen und damit schlechter Wiederanlage-Bedingungen wird der vormalige Vorteil aber zum Nachteil: Die Kursgewinne werden schnell von den niedrigeren Zinsen einer Neuveranlagung "verzehrt".

Quelle: Eigene Darstellung

In der Grafik wird die Performance-Entwicklung einer EUR 100,-- Veranlagung in rollierende 10-jährige Anleihen kumuliert (ohne Zinseszins) dargestellt: Gelb bei einem konstanten Zins von 3%; Blau bei einem schrittweise sinkenden Zins (von 3% auf 0,3%, danach einem konstant niedrigen Zins von 0,3%). Es ist klar ersichtlich, dass sich die Performances während der sinkenden Zinsen gegenüber der konstanten Verzinsung abheben. Danach hingegen - im Umfeld niedriger Zinsen - wird relativ schnell die blaue Linie gekreuzt, ein konstanter Zins wäre besser gewesen. Müßig, über die Vergangenheit zu reden. Wie stellt sich die Lage jetzt und in Zukunft dar? In der aktuellen Situation bieten viele Anleihen schlicht zu niedrige Kuponeinnahmen bzw. Renditen. Daher kaufen Anleger vermehrt Titel schlechter Schuldner und/oder mit sehr langen Laufzeiten: Sie müssen schließlich eine Mindestverzinsung erreichen. Aus wirtschaftlicher Sicht bzw. aus Sicht der Schoellerbank eine äußerst riskante Vorgehensweise, denn: Die Zinsen befinden sich auf einem Allzeit-Tiefststand, auch die Risikoaufschläge schlechter Schuldner sind abgeschmolzen. Von beiden Seiten bestehen beträchtliche Risiken auf steigende Zinsen und damit Kursverluste. Denn natürlich gilt für die Kurse im Umkehrschluss zu obigem Beispiel bei steigenden Renditen das Gegenteil: Steigende Zinsen bedeuten fallende Kurse - frei nach Blood, Sweat & Tears: "What goes up must come down". Auswege aus dem Dilemma Es liegt auf der Hand, dass ein und derselbe Wert als Garantie- oder Rechnungszinssatz nicht für Vertragslaufzeiten von 30 oder gar 50 Jahren geeignet sein kann. Die Unsicherheiten über solch lange Zeiträume gehen schließlich auch weit über die Unsicherheit betreffend die Höhe des Zinssatzes hinaus. In einem 3-Säulen-Pensionssystem, in dem das staatlich organisierte Umlagesystem (fast) jedem Bürger eine planbare (Sockel-) Pension garantiert, sollte die zweite (betriebliche Vorsorge, z. B. Pensionsversicherungen) und dritte Säule (private Vorsorge, z. B. Lebensversicherungen) der Altersvorsorge stärker auf (scheinbare) Garantien verzichten dürfen und sich durch inhaltliche Unterschiede profilieren.

Inhaltlich führt wohl gerade bei einer derart langfristigen Veranlagung an einer deutlichen Erhöhung der Aktienquoten kein Weg vorbei. Diese ist wiederum wesentlich leichter durchzuhalten, wenn der Investor nicht von Jahr zu Jahr an Mindesterträgen gemessen wird. Denn Aktienmärkte schwanken nun einmal und derzeit muss eine einzige erfolglose Veranlagungsperiode im Falle einer Pensionskasse zu Pensionskürzungen führen. Das sorgt regelmäßig für prominente Medienberichterstattung und führt hinsichtlich der Ausrichtung der Veranlagung nicht zum Ziel. Die Veranlagung sollte im Sinne eines vernünftigen "Aktiv-Passiv-Match" - damit ist die zeitliche Abstimmung von Verpflichtungen und der Veranlagung des Investors gemeint - auch deutlich mehr Freiheiten genießen. In diesem Sinne sollten wir das Beste aus zwei Welten nutzen: Eine planbare stabile Basis aus einem starken staatlichen Umlagesystem, kombiniert mit einer langfristigen Kapitalmarktveranlagung mit hohem Aktienanteil. Fazit Sinkende Zinsen sind vorübergehend ein Vorteil - sie bedeuten Kursgewinne bei Anleihen. Das Resultat - dauerhaft niedrige Zinsen - ist allerdings ein Nachteil für Investoren: Sie haben ein Wiederanlagerisiko. Außerdem müssen sie bei wieder steigenden Zinsen einem beträchtlichen Kursverlustrisiko ins Auge blicken. Die Auswirkungen des aktuellen Zins-Dilemmas, in dem etwa Versicherungen und Pensionskassen stecken, wirken sich am Ende natürlich auch auf private Investoren negativ aus. Der Ausweg aus der scheinbaren Sackgasse führt nur über mehr Freiheiten in der Veranlagung, ein Denken mit langfristigerer Perspektive und nicht zuletzt: über mehr Aktien. Sowohl für institutionelle als auch private Investoren. Autor: Mag. Felix Düregger, CPM Direktor Asset Management Schoellerbank AG Tel. +43/662/86 84-2678 Rückfragen bitte auch an: Marcus Hirschvogl, BA Pressesprecher Schoellerbank AG Tel. +43/1/534 71-2950 1010 Wien, Renngasse 3 marcus.hirschvogl@schoellerbank.at

Die Schoellerbank, gegründet 1833, ist eine der führenden Privatbanken Österreichs, die als Spezialist für anspruchsvolle Vermögensanlage gilt. Sie konzentriert sich auf die Kernkompetenzen Vermögensanlageberatung, Vermögensverwaltung und Vorsorgemanagement. Ihre Anlagephilosophie definiert sich über das Motto "Investieren statt Spekulieren". Die Schoellerbank ist mit 10 Standorten und 317 Mitarbeitern die einzige österreichweit vertretene Privatbank. Sie verwaltet für private und institutionelle Anleger ein Vermögen von mehr als 10 Milliarden Euro. Die Schoellerbank ist eine 100%ige Tochter der UniCredit Bank Austria.
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Die Zahlenangaben beziehen sich auf die Vergangenheit. Die frühere Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für künftige Ergebnisse. Jede Kapitalveranlagung ist mit einem Risiko verbunden. Unter Umständen kann es bis zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals kommen. Die Interessentin bzw. der Interessent sollte sich hinsichtlich der konkreten steuerlichen Auswirkungen des Investments von einem Steuerberater beraten lassen.

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