Umgang mit Risiko: komplexe Anlageentscheidungen leicht gemacht - Analysebrief Nr. 319

  • Das Konzept der Nutzenmaximierung ist auf fast alle Bereiche anwendbar, die wenig komplex und berechenbar sind. Auf der anderen Seite entziehen sich viele komplexe Sachverhalte auch sehr umfangreichen Berechnungen. Hier ist weniger mehr
  • Es ist sinnvoll sich in solchen Situationen auf seine Intuition, im Sinne eines Erfahrungswissens, zu verlassen
  • Die vom US-amerikanischen Ökonom Harry Markowitz entwickelte Portfolio-Theorie unterliegt aufwendigen Berechnungen. Viele Studien zeigen jedoch, dass sie in der Praxis nicht fruchtet. Die zahlreichen Schätzungen, die dabei zwangsläufig getroffen werden müssen, ruhen auf tönernen Füßen
  • Die künftige Kursentwicklung von Märkten, wie dem Devisen- oder Aktienmarkt, bzw. die Zusammenstellung eines Portfolios kann aus Vergangenheitsdaten nicht seriös abgeleitet werden
  • Natürlich ist es für eine sinnvolle Anlageentscheidung dennoch von immenser Bedeutung, auch die Vergangenheit zu kennen
  • Aktives Risikomanagement bleibt weiterhin unerlässlich

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Schoellerbank Analysebrief Nr. 319182 KB

In der ökonomischen (und auch philosophischen) Literatur gibt es eine Vielzahl an Arbeiten zur Entscheidungsfindung. Dabei sieht die Standardtheorie folgenden Pfad vor: Zuerst wird die Situation analysiert und danach agiert. Es werden zunächst alle Alternativen und die sich daraus jeweils ergebenen Konsequenzen (meist anhand einer Matrix) geprüft. Im nächsten Schritt werden die erwarteten Wahrscheinlichkeiten geschätzt und mit dem Nutzen multipliziert.

Theorie und Praxis

Exkurs: Professor Gerd Gigerenzer, Direktor am Max-Plank-Institut, erzählte von einem Professor der Columbia University in New York, der von der konkurrierenden Harvard-Universität ein interessantes Job-Angebot erhalten hatte. Der Professor konnte einfach keine Entscheidung treffen. Ein Kollege nahm ihn an die Seite und sagte: "Also hör‘ mal, du hast doch wegbereitende Arbeiten zur Nutzenmaximierung veröffentlicht. Warum gehst du denn bei so einer wichtigen Entscheidung nicht einfach nach diesen Regeln vor?" Er antwortete: "Jetzt hör‘ aber bitte auf, das hier ist wirklich ernst."
Es wird zwischen zwei verschiedenen Sorten von Risiken unterschieden:
1. Eine, die gut berechenbar ist und 2. eine, bei der alle bekannten Rechenverfahren scheitern, weil die Sachlage zu komplex ist
Ein plakatives Beispiel für eine berechenbare Situation ist das Casino: Wird nur lange genug gespielt, kann ziemlich genau berechnet werden, wie viel verloren wird. Eine Intuition (im Sinne von Erfahrungswissen) bringt einen Casino-Spieler nicht weiter. In dieser Situation ist es besser, sich an mathematische Regeln zu halten. Diese einfachen Regeln werden in der Wissenschaft auch als Heuristik bezeichnet. Im Fall des Casinos ergäbe eine Berechnung, dass der Spieler auf Dauer stets verliert, während das Casino über die Zeit gewinnt. Nicht sehr empfehlenswert aus Sicht des Spielers. Das ist berechenbar und die Anwendung des, in der Ökonomie weit verbreiteten, Nutzen-Maximierungsansatzes ist in der Casino-Situation folglich empfehlenswert.

Komplexe Natur

Ganz anders sieht dies bei komplexen Fragestellungen aus. Bei diesen Fragestellungen ist weniger mehr. Dort ist, darauf weisen mittlerweile viele Forschungsergebnisse hin, die eigene Intuition noch immer der wichtigste Entscheidungsfaktor. Eine Umfrage unter Ökonomen hat ergeben, dass, selbst unter diesen auf Nutzenmaximierung getrimmten Experten, so gut wie niemand bei elementaren Entscheidungen auf Entscheidungsfindungsmittel der Ökonomie zurückgreift, sondern sich auf die eigene Intuition verlässt. Das gilt auch für die meisten Bereiche der Finanzmärkte und ebenso für den zwischenmenschlichen Bereich. So weist einer der erfolgreichsten Anwälte der US-Geschichte, Gerry Spence, der seit dreißig Jahren keinen einzigen Strafprozess verloren hat, in seinem Buch "Argumentiere und gewinne" darauf hin, dass keine Seminare besucht werden sollten, bei denen vermittelt wird, wie mit "künstlichen" Methoden andere Menschen überzeugt werden können. Vielmehr sollte demnach stets bei der Wahrheit geblieben und diese so vertreten werden, wie es für richtig gehalten wird. Eine andere Rhetorik ist aus seiner Sicht sehr kontraproduktiv. Der Mensch hat ihm zufolge eine Intuition, die ihn dazu befähigt, instinktiv herauszufinden, ob jemand die Wahrheit sagt. Jemand der nicht mehr authentisch kommuniziert, kann entsprechend leicht fehlinterpretiert werden. Zwischenmenschliche Kommunikation wird demnach zu den Bereichen gezählt, in der intuitiv vorgegangen werden sollte.

Intuition versus Rechenmodelle an den Finanzmärkten

Wie entwickeln sich die Zinsen, wie die Aktienkurse? Wie geht es mit den Rohstoffpreisen weiter? Das sind Fragestellungen, die beinahe für alle Verbraucher eine mehr oder weniger starke Relevanz besitzen. Die Kursentwicklung setzt sich aus täglichen Entscheidungen der Verbraucher sowie aus den Entscheidungen von Millionen von Anlegern auf den Finanzmärkten zusammen. Aufgrund der Wichtigkeit ist es nicht verwunderlich, dass zahlreiche Methoden entwickelt wurden, um die Marktentwicklungen vorhersehen zu können. Dabei wird nicht auf intuitive Eingaben vertraut, sondern es werden dafür teilweise hochkomplexe Modelle herangezogen.
Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Studien, die die Genauigkeit der Prognosen für die Finanzmärkte zum Thema hatten: Es lassen sich demnach Aktien- und Devisenkurse auf einen kurzen Zeitraum nicht vorhersagen. Wie nachstehendes Beispiel zeigt, sind auch Wirtschaftswachstumsraten ganzer Länder nur sehr ungenau auf kurzen Zeitraum prognostizierbar.
Beispiel zur Prognose von Rezessionen:

  • 2008 war die US-Wirtschaft um 2,5% geschrumpft. Die Rezession, die damals begann, ist in die Geschichte als die "Große Rezession" eingegangen. In einer Umfrage des "Wall Street Journals" im Dezember 2007 hat von 51 namhaften US-Ökonomen kein Einziger (sic!) eine Rezession kommen sehen und schon gar nicht jene, des tatsächlichen Ausmaßes
  • Die Mehrheit der Ökonomen konnte laut Daten des Survey of Professional Forecasters und der FED von Philadelphia die Rezessionen von 1990, 2001 und 2008 noch nicht einmal vorhersagen, als diese bereits begonnen hatten. Im Schnitt räumten die Ökonomen 2007 der Wahrscheinlichkeit einer Rezession 2008 in der Größenordnung einer Schrumpfung um 2% (oder mehr) nur eine Wahrscheinlichkeit von 1 zu 500 ein. Tatsächlich ist die Wirtschaft 2008 noch wesentlich stärker eingebrochen als um 2%

Volkswirtschaftliche Analysen bieten eine allgemein interessante Bestandsaufnahme, für Anlageentscheidungen stellen sie jedoch nur eine unzureichende Basis dar.

Veranlagungen - was ist sinnvoll?

Für Veranlagungen ist es zunächst sinnvoll, die Vergangenheit genau zu kennen. Hier macht eine sehr langfristige Betrachtung Sinn. Es stellt sich die Frage, was aus einem Investment von einmalig (sic!) US-Dollar 100 geworden wäre, wenn diese in unterschiedliche infrage kommende Anlagesegmente (US-Aktien, Staatsanleihen, Unternehmensanleihen, Geldmarkt, Gold) veranlagt worden wären (Dividenden bzw. Zinsen jeweils reinvestiert)? Die nachstehende Tabelle zeigt auch die Inflationsentwicklung auf. Das bedeutet: US-Dollar 1.387 im Jahr 2017 haben die gleiche Kaufkraft wie US-Dollar 100 im Jahr 1926. Aus 100 veranlagten US-Dollar wurden von 1926 bis 2017:

InvestmentBetrag in US-DollarPerformance p. a.Standardabweichung
(Schwankungsbreite)
Aktien642.87510,0%18,7%
Unternehmensanleihen16.402 5,7%5,9%
Staatsanleihen15.034 5,6%8,3%
Gold6.264 4,6%15,9%
Geldmarktpapiere2.368 3,5%1,0%
Inflation1.387 2,9%1,7%
Quelle: Ned Davis Research

Die Ergebnisse bestätigen die Intuition: Aktien sind hinsichtlich der Performance allen anderen Anlageklassen weit überlegen. Allerdings weisen sie auch die höchste Schwankungsbreite auf. Die Sachlage ist jedoch nicht so einfach, als dass daraus abgeleitet werden könnte, dass zu jedem Zeitpunkt 100% des Kapitals, das nicht absehbar benötigt wird, in den Aktienmarkt investiert werden sollte. Denn die Ergebnisse auf einen anderen Zeitraum, z. B. bis in das Jahr 2000 zurückbetrachtet, können teilweise ganz anders aussehen.
Beispiel: Von 1929 bis 1945 bzw. von 2000 bis 2016 wäre eine Veranlagung am Rentenmarkt, statt am Aktienmarkt, ertragreicher gewesen.

Aktienentwicklung USA (Reinvestment der Dividenden) über 16-Jahres-Perioden: 
31.08.1929 bis 31.08.19451,3%
31.05.1932 bis 31.05.194814,6%
30.11.1968 bis 31.11.19847,0%
30.09.1974 bis 30.09.199015,1%
31.08.2000 bis 31.08.20164,2%
30.09.2002 bis 31.05.20179,8%
Quelle: Ned Davis Research

Bewertung und Stimmungsindikatoren

Es hat sich gezeigt, dass ein extrem hoher Optimismusgrad der Anleger gepaart mit einer hohen Bewertung des Marktes, Gift für die anschließende längerfristige Performance des Aktienmarktes ist. Risikomanagement ist also wichtig. Derzeit sehen die Modelle, die auf die Sentiment-Indikatoren sowie auf die Bewertung des Marktes abstellen, eine 10-Jahresperformance des Marktes zwischen 1% bis 5% - weit unter den historischen Durchschnittswerten. Der Rentenmarkt (Rendite) für 10-jährige US-Staatsanleihen liegt im Vergleich dazu aktuell bei 2,2%. Bei den jetzigen Kursniveaus sollten sich Anleger deshalb weder am US-Rentenmarkt, noch am US-Aktienmarkt Hoffnungen auf überdurchschnittlich hohe Renditen machen.
Glücklicherweise sind Investoren nicht mehr darauf angewiesen, ausschließlich in den USA investieren zu können. Denn in Asien sieht die Situation für Anleger viel besser aus. Dort ist sowohl aus Sentiment-Sicht, wie auch aus der Analyse der Marktbewertung, der Weg für historisch durchschnittliche Renditen über einen längeren Zeitraum hinweg frei. Die Vermögensverwaltung der Schoellerbank ist entsprechend dem Anlagebereich Asien, einschließlich Japan, in den Vermögensverwaltungsmandaten mit Aktienanteil derzeit "Stark Übergewichtet".

Moderne Portfoliotheorie versus einfache Regel

Der US-amerikanische Ökonom Harry Markowitz erstellte eine Theorie (für die er den Nobelpreis erhielt) über die positive Auswirkung von Diversifikation auf das Risiko der Anlage und die folgende Rendite des Portfolios. Bei diesem Mean-Variance-Modell werden zunächst viele historische Daten (Performance, Schwankungsbreite) benötigt. Für jede Option müssen dabei alle Varianzen und Ko-Varianzen abgeschätzt werden. In der Literatur ist man sich mittlerweile weitgehend einig, dass diese vielen notwendigen Schätzungen problematisch sind. So wurde für einen Zeitraum von immerhin zehn Jahren geprüft, welche Methode im Nachhinein bessere Ergebnisse geliefert hätte: Jene von Markowitz, oder eine einfache Regel in der Form, die 1/n rechnet (also das zu investierende Geld gleichmäßig auf alle zur Verfügung stehenden Anlagen aufteilt). Dabei ging es konkret um zehn US-Fonds, auf die das Geld aufgeteilt werden sollte.
In sechs von sieben Fällen hat dabei die einfache Regel 1/n, der gleichmäßigen Aufteilung unter den Fonds, bessere Ergebnisse geliefert, als nach der Markowitz-Methode. Diese Theorie fördert pro-zyklisches Verhalten. Markowitz selbst hat übrigens das Geld, das er für den Nobelpreis erhalten hat, nicht etwa nach seiner eigenen Methode diversifiziert, sondern sich an der einfachen 1/n-Regel orientiert. Künftige Entwicklungen an den Finanzmärkten sind demnach nicht aus Kursbewegungen sowie Schwankungsintensitäten und Korrelationen (der Vergangenheit) ableitbar. Dennoch ist die Anwendung des Mean-Variance-Modells nach wie vor weit verbreitet.
Leider ist es auch nicht möglich, mit einer Art Algorithmus aus den besten zur Verfügung stehenden Mustern (Bewertungs- und Sentiment-Daten) eine starre, mathematische Handelsregel abzuleiten. Dies wäre aufgrund der vielen variablen Umfeldfaktoren viel zu einfach gefasst. Vielmehr bedarf es bezüglich Anlageentscheidungen dem Erfahrungswissen von gut ausgebildeten Fachleuten, die unter anderem auf sehr gute Performance-Daten - und zwar über längere Zeiträume aus der Vergangenheit - verweisen können. Das ist die einzige professionelle Möglichkeit, sich einem derart komplexen Geschehen, wie den Finanzmärkten zu nähern.

Fazit

Die ableitbare Empfehlung aus vielen Studien ist damit klar: Überall dort wo Risiken berechenbar erscheinen (z. B. im Casino, in der Technik) sollte auf mathematische Lösungen zurückgegriffen werden, um daraus Handlungsoptionen abzuleiten. Überall dort, wo die Welt zu komplex wird (zwischenmenschliche Beziehungen, Finanzmärkte, Management etc.) sollte auf Heuristiken und auf Erfahrungswissen gesetzt werden. Über sehr lange Zeiträume sind die Ergebnisse der Forschung für Veranlagungen eindeutig: Aktien weisen bei höheren Wertschwankungen das mit Abstand beste Performance-Profil auf. Aus empirischer Sicht ist es deshalb auch sehr unvorteilhaft, Aktien als Anlageinstrument zu meiden. Aktives Risikomanagement bleibt jedenfalls weiterhin unerlässlich.

Autor: Christian Fegg Vorstand Schoellerbank Invest AG Tel. +43/662/88 55 11-2670
Rückfragen bitte auch an: Marcus Hirschvogl, BA Pressesprecher Schoellerbank AG Tel. +43/1/534 71-2950 1010 Wien, Renngasse 3

Die Schoellerbank, gegründet 1833, ist eine der führenden Privatbanken Österreichs, die als Spezialist für anspruchsvolle Vermögensanlage gilt. Sie konzentriert sich auf die Kernkompetenzen Vermögensanlageberatung, Vermögensverwaltung und Vorsorgemanagement. Ihre Anlagephilosophie definiert sich über das Motto "Investieren statt Spekulieren". Die Schoellerbank ist mit 10 Standorten und 317 Mitarbeitern die einzige österreichweit vertretene Privatbank. Sie verwaltet für private und institutionelle Anleger ein Vermögen von mehr als 11 Milliarden Euro. Die Schoellerbank ist eine 100%ige Tochter der UniCredit Bank Austria.
Mehr Informationen unter: www.schoellerbank.at

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