Gibt es jemals wieder Zinsen? - Analysebrief Nr. 321

  • Die Notenbanken pumpen seit Jahren Geld in die Märkte, um die Zinsen tief zu halten
  • Kreditnehmer jubeln, Sparer jammern - das Zinsniveau erfreut nicht jeden
  • Wenn das globale Wachstum wieder zurückkehrt, werden sich auch die Zinsen wieder normalisieren. Zumindest wenn die wirtschaftlichen Mechanismen der Vergangenheit auch noch heute gelten
  • Die Empirie verspricht Besserung - aber nur der vorbereitete Investor wird dann noch jubeln
  • Die Nominalzinsen werden mit der Entwicklung der Konjunktur langsam steigen, wobei kurze Schocks jederzeit möglich sind
  • Für alle Marktteilnehmer - ob Schuldner, Sparer oder langfristiger Investor - gilt: Viel wichtiger als die Entwicklung der Nominalzinsen sind die Realzinsen bzw. -renditen

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Schoellerbank Analysebrief Nr. 321161 KB

Erstmals seit Jahren scheint das Dogma des billigen Geldes zu verblassen. Zwar stützen die Notenbaken die Märkte immer noch großzügig ("Quantitative Easing"), um die Zinsen tief zu halten und die Inflation zu befeuern, von offizieller Seite ist jedoch vermehrt von der Verbesserung des konjunkturellen Umfelds sowie einer nachhaltigen Entwicklung der Teuerungsrate zu hören. Das Ende der quantitativen Lockerung wird diskutiert ("Tapering"). Ohne die Unterstützung der Zentralbanken wird sich die Ära beständig fallender Zinsen - die das Marktgeschehen immerhin seit den 1980er-Jahren geprägt hat - ebenfalls ihrem Ende zuneigen. Dabei geht es natürlich nicht nur um den Leitzins oder um andere Geldmarktzinsen, sondern um das gesamte Anleihenspektrum. Eine Normalisierung der Zinslandschaft wäre die Folge. Normales Zinsniveau. Was ist das überhaupt? Hier hilft ein Blick in den Rückspiegel, am Beispiel des 3-Monats-Euribor. Dieser ist einerseits Basis für variabel verzinste Kredite und andererseits für Geldmarktveranlagungen eng mit dem Leitzins verbunden.

Quelle: Bloomberg, eigene Berechnung

Die Grafik zeigt, dass erst mit Ausbruch der europäischen Schuldenkrise Werte unter 2% erreicht wurden - davor waren Werte zwischen 2% und 5% "normal". Die Bildung von langfristigen Mittelwerten ist eine einfache Möglichkeit der Vergangenheitsbetrachtung, ohne zu unterstellen, es würde sich um einen optimalen Zinssatz handeln. Vor Ausbruch der Finanzkrise lag der Mittelwert über 3%, unter Berücksichtigung der letzten Jahre ist der Mittelwert auf 2% gefallen. Bei aktuellen Werten um -0,33% handelt es sich um bis dato noch nie dagewesene Tiefststände. Von einer Normalisierung könnte ausgegangen werden, wenn sich aktuelle Werte den historischen Mittelwerten wieder annähern. Historisch niedrige Zinsen? Alles eine Frage der Definition. Die Zinsen, die am Konto oder mit Festgeldern verdient werden sind "nominal", d. h. ohne Berücksichtigung der Inflation. Hohe Nominalzinsen bedeuten daher nicht zwangsläufig einen hohen (Netto-)Ertrag. Wirklich interessant bzw. aussagekräftig wird es somit erst, wenn die Nominalzinsen um die Geldentwertung bereinigt werden. Dazu wurden nachstehend Daten aus den USA herangezogen, die eine längere Rückschau ermöglichen. Folgende Grafik zeigt die Entwicklung von 10-jährigen US-Realzinsen. Negative Werte stellen negative Realzinsen dar. Hier können die Zinsen auf Veranlagungen die Geldentwertung nicht mehr kompensieren.

Quelle: Bloomberg, eigene Berechnung

Unterschiedliche Studien zeigen, dass negative Realzinsen kein seltenes Phänomen sind, sondern in verschiedenen Ausprägungen in vielen Ländern immer wieder vorkamen. So wurden negative Realzinsen nach dem zweiten Weltkrieg bis 1980 dazu genutzt, die Verschuldung der USA relativ zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) zu halbieren - auch bekannt unter dem Namen "Finanzielle Repression". Auch in Deutschland gab es in der jüngsten Vergangenheit mehrere Phasen negativer Realzinsen. Dabei lagen die Realzinsen noch deutlich tiefer als heute. Die Nominalzinsen befinden sich aber tatsächlich auf historisch niedrigem Niveau. Gibt es jemals wieder höhere Zinsen? Nachstehende Grafik stellt die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes der Entwicklung des Leitzinses gegenüber. Seit dem Ausbruch der europäischen Schuldenkrise ist ein divergierender Verlauf erkennbar. Generell ist ein enger Zusammenhang von BIP-Wachstum (und Produktivität) und der Entwicklung des Zinsniveaus zu beobachten, sodass sich diese Diskrepanz bei weiterer Verbesserung der konjunkturellen Lage auflösen sollte.

Quelle: Bloomberg, eigene Berechnung

Ein anderer Zugang ist der Blick über den Atlantik. In den USA hat die US-Notenbank FED die Zinswende bereits vollzogen. Die beobachtete Abhängigkeit Europas von den USA spricht auch für eine Zinswende diesseits des Atlantiks. Einfach gesagt: die Zinsen Europas laufen denen der USA oft hinterher.

Quelle: Bloomberg, eigene Berechnung

Laut Europäischer Zentralbank (EZB) stehen derzeit alle Zeichen auf einer breiten Erholung der Eurozone und auch der Inflationstrend ist nach oben gerichtet. Die konjunkturellen Vorlaufindikatoren unterstützen diese Sicht. Auch die Marktteilnehmer wirken seit längerer Zeit entspannt und haben die Risikoaufschläge der ehemaligen krisengebeutelten Staaten durch den Kauf entsprechender Anleihen reduziert. Aus konjunktureller Sicht vermindern sich die Argumente gegen höhere Zinsen zunehmend. Vielmehr bieten höhere Leitzinsen auch einen Vorteil: Die Notenbanken haben Pulver für die nächste Krise, um die Zinsen im Ernstfall wieder senken zu können. Investoren und steigende Zinsen: Der Schock darf nicht zu groß sein Erst vor wenigen Wochen schockte EZB-Präsident Mario Draghi die Marktteilnehmer mit seinen optimistischen Aussagen zu Konjunktur- und Inflationsentwicklung. Ein Mini-Crash war die Folge, bei dem sich die Renditen steil nach oben bewegten. Besonders betroffen waren alle, die sich in lang laufenden Anleihen positioniert hatten. Und das wurden in der jüngsten Vergangenheit immer mehr, auf der Flucht vor Mini- oder Negativzinsen am kurzen Ende der Renditekurve, oder einfach nur weil sie mussten (Pensionskassen, Versicherungen etc.).

Dass es sich beim jüngsten Anstieg nicht nur um ein Strohfeuer gehandelt haben könnte, zeigt das Jahr 2015, als die Renditen von April bis Juni sprunghaft anstiegen und für ein dickes Minus auf den Kurszetteln sorgten (siehe nachstehende Grafik). Auch in den USA, die mit dem "Tapering" bereits 2013 begannen, gab es mehrere größere Renditeanstiege.

Quelle: Bloomberg, eigene Berechnung

Für 10-jährige deutsche Staatsanleihen liegt der langfristige Mittelwert (1989-2017) - also das "normale" Zinsniveau - bei über 4%, der aktuelle Wert liegt bei ca. 0,55%. Sollte sich der aktuelle Wert seinem historischen Wert sprunghaft annähern, würde das Kursverluste von mehr als 30% bedeuten. Staaten und die Schuldenberge Ein oft gehörtes Argument gegen höhere Zinsen lautet, dass sich die Staaten keine höheren Zinsen leisten können. Das ist grundsätzlich zwar richtig, muss aber differenziert betrachtet werden. Erstens: Dass die Zinsen wieder auf alte Hochs der 80er-Jahre steigen, ist derzeit ohnehin undenkbar. Die Schulden haben unglaubliche Dimensionen erreicht, die Zinslast wäre langfristig - vor allem für die ehemaligen Krisenländer - nicht schulterbar. Neue Schulden würden teurer und könnten erneut Refinanzierungsprobleme auslösen. Leicht höhere Zinsen in der Nähe der Mittelwerte sollten verkraftbar sein. Zweitens: Die soliden Kernländer könnten einen Anstieg des Zinsniveaus gut verkraften. Denn die Länder haben sich mit besonders niedrigen und langfristigen Fixzinsanleihen eingedeckt, die von steigenden Zinsen nicht betroffen wären. So konnte z. B. Deutschland 2016 eine 10-jährige Anleihe mit Nullverzinsung über Par emittieren - es erhält für einen Teil seiner Schulden sogar noch "Zinsen". Ähnliches gilt in abgeschwächter Form auch für die Peripherieländer mit Ausnahme Griechenlands.

Drittens: Eine niedrige reale Belastung ist essentiell. Inflation, die die Schulden entwertet. Alle Staaten könnten sich damit höhere Zinsen leisten, solange sie nominal- und nicht real sind. Das zeigen mehrere Phasen finanzieller Repression in denen die Zinsen bei 5% und mehr lagen: Die Staaten konnten ihre Schuldenberge, relativ zum BIP, wegen einer noch höheren Inflation reduzieren. Warum es diesmal trotzdem anders kommen könnte Die Einflüsse auf die konjunkturelle Entwicklung sind natürlich unberechenbar, wie am Beispiel des politischen Geschehen im Jahr 2016 zu sehen war. Aber auch scheinbar Bekanntes - die Theorie - ist einem beständigen Wandel unterworfen: So wird zuletzt vermehrt der abnehmende Einfluss der Lohnentwicklung auf die Preisentwicklung (Phillipskurve) in Folge der Globalisierung diskutiert: Steigende Arbeitskosten im Heimatland werden die Inflation - als Element des Zinses - nicht mehr so stark prägen, wie bisher. Auch technischer Fortschritt und Robotisierung reduzieren die Kosten und damit die Inflation. Aus dieser Sicht spricht vieles für ein weiterhin generell niedrigeres Zinsniveau in der näheren Zukunft. Fazit: Wenn das globale Wachstum wieder zurückkehrt, werden sich auch die Zinsen wieder normalisieren. Zumindest wenn die wirtschaftlichen Mechanismen der Vergangenheit auch noch heute gelten. Die Nominalzinsen werden mit der Entwicklung der Konjunktur langsam steigen, wobei kurze Schocks jederzeit möglich sind. Für alle Marktteilnehmer - ob Schuldner, Sparer oder langfristiger Investor - gilt: Viel wichtiger als die Entwicklung der Nominalzinsen sind die Realzinsen bzw. -renditen, die ungeschönt zeigen, was mit dem Ersparten bzw. den Schulden passiert. Lohnt sich Sparen überhaupt noch? Ja, jedoch nicht am Sparbuch. Viel zu oft frisst die Inflation die Nominalzinsen auf. Schulden zu machen hingegen "lohnt" sich noch immer. Tipp: Auf den realen Ertrag der Veranlagung achten! Ein Ausweg sind Aktien, die eine Alternative zur Zinsmisere der vergangenen Jahre boten. Die Schoellerbank Aktienliste enthält nur erstklassige Unternehmen, die nach strengen Qualitätskriterien ausgewählt wurden. Aktien werden in österreichischen Depots aber noch immer viel zu selten berücksichtigt. Jedoch können nur die hartgesottensten Investoren ihr Vermögen zu 100% in Aktien investieren. Der Rest benötigt verzinste Veranlagungen - sei es wegen Liquiditätsanforderungen, aus regulatorischen Gründen oder einfach nur aus Sicherheitsüberlegungen. Kluge Investoren begegnen der Zinsgefahr in diesem Fall mit kurzen Laufzeiten. Alternativen wie Fremdwährungen oder inflationsgeschützte Anleihen streuen das Schwankungsrisiko zusätzlich.

Autor: Mag. Michael Penninger Asset Management Schoellerbank AG Tel. +43/662/86 84-2681
Rückfragen bitte auch an: Marcus Hirschvogl, BA Pressesprecher Schoellerbank AG Tel. +43/1/534 71-2950 1010 Wien, Renngasse 3

Die Schoellerbank, gegründet 1833, ist eine der führenden Privatbanken Österreichs, die als Spezialist für anspruchsvolle Vermögensanlage gilt. Sie konzentriert sich auf die Kernkompetenzen Vermögensanlageberatung, Vermögensverwaltung und Vorsorgemanagement. Ihre Anlagephilosophie definiert sich über das Motto "Investieren statt Spekulieren". Die Schoellerbank ist mit 10 Standorten und 317 Mitarbeitern die einzige österreichweit vertretene Privatbank. Sie verwaltet für private und institutionelle Anleger ein Vermögen von mehr als 11 Milliarden Euro. Die Schoellerbank ist eine 100%ige Tochter der UniCredit Bank Austria.
Mehr Informationen unter: www.schoellerbank.at

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