Die rätselhafte Suche nach der verschwundenen Inflation - Analysebrief Nr. 336

  • Das "Inflationsrätsel" beschäftigte die US-Notenbank Fed bereits 2017. Im Jahr 2018 muss sich nun die Europäische Zentralbank (EZB) damit beschäftigen
  • Unterschiedliche Erklärungsansätze für den schwachen Preisauftrieb können nicht restlos überzeugen. Erst im Nachgang wird Klarheit herrschen
  • Es gibt Zeichen für strukturelle Veränderungen, welche die Inflation dämpfen. Das bedeutet jedoch nicht, dass Inflation kein Thema mehr ist
  • Es ist taktisch sinnvoll in inflationsgeschützte Anlagen zu investieren - die aktuell eingepreisten Inflationserwartungen sind zu tief

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Das "Inflationsrätsel"

In den USA hat sich die Inflationsrate bei über 2% stabilisiert. Noch 2017 rätselten die Ökonomen - und mit ihnen sogar die einstige Fed-Präsidentin Janet Yellen - über die Inflationsentwicklung. Damals sank die Jahresrate über 1%: von 2,7% auf 1,6%. Angesichts niedriger Arbeitslosigkeit und hochtrabender Konjunktur eine nicht nachvollziehbare Entwicklung. Zurück nach Europa. Hier stellt man sich heute die gleiche Frage, welche sich die Federal Reserve Bank 2017 stellte: warum steigt die Inflation nicht? Auch diesseits des Atlantiks boomt die Wirtschaft und der Arbeitsmarkt entwickelt sich prächtig. Von Inflation ist aber keine Spur, im Gegenteil, die Inflationsrate ist in Europa im Jänner sogar erneut gefallen. Die Analyse der Entwicklungen in den USA liefert leider keine zufriedenstellenden Antworten. Innerhalb der Fed kam es zu einer grundlegenden Diskussion über die Ursachen der Entwicklung 2017. Zunächst mehrten sich die Zweifel an der Robustheit des konjunkturellen Aufschwungs. Schlussendlich ging man von einer "Fehlentwicklung" aus. Aktuell wächst die amerikanische Wirtschaft nachhaltig und die Inflation verfestigt sich über 2%. Wird Europa folgen?

Warum gibt es noch keine höhere Inflation?

In den letzten Jahren gab es gute Gründe für ein Ausbleiben höherer Inflationsraten. Zuerst waren es vor allem die Energiepreise, die für den schwachen Preisauftrieb sorgten. Diese sind im Warenkorb zur Berechnung des Konsumentenpreisindex stark gewichtet. Auch die mangelnde Kreditvergabe in Folge der europäischen Schuldenkrise oder die Struktur der europäischen Union, mit starken Kernländern und schwacher Peripherie, waren durchwegs schlüssige Argumente für den geringen Preisdruck. Mit der starken wirtschaftlichen Erholung greifen diese Erklärungsansätze immer weniger. Dafür werden im Wesentlichen zwei neue Argumente ins Feld geführt:

  • Ein wichtiger Inflationstreiber sind die Arbeitskosten, wo die Phillips-Kurve bisher einen stabilen Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Preisniveau zeigte. Eine geringe Arbeitslosenquote führt zu Fachkräftemangel und dadurch können Arbeitnehmer höhere Löhne durchsetzen. Der Zusammenhang schien sich zuletzt abzuschwächen. Ein Grund: Globalisierung. Die Unternehmen sind in den letzten Jahrzehnten dazu übergegangen, ihre Produktionen über den Globus auszudehnen. Trotz der guten Konjunktur im Heimatland können die Arbeitnehmer keine höheren Preise durchsetzen, da die Produktion einfach verlegt werden kann. Steigende Arbeitskosten im Heimatland könnten die Inflation daher nicht mehr so stark prägen wie bisher.
  • Der Internationale Währungsfonds identifiziert in seinem World Economic Outlook aus Oktober 2017 weitere Gründe für den schwachen Lohnauftrieb bei gleichzeitig niedriger Arbeitslosigkeit. Ein großer Teil erklärt sich laut dem Bericht über die unfreiwillige Teilzeitbeschäftigung in Folge der großen Rezession ab 2008. So fallen Teilzeitbeschäftigte aus der Arbeitslosenstatistik heraus, haben aber keine Preismacht bzw. drücken bei der Suche nach einer Vollzeitbeschäftigung das Lohnniveau. Das heißt, es gibt mehr Arbeitsangebot als es die Arbeitslosenquote vermuten lassen würde. Dabei handelt es sich nicht um ein europäisches Problem, denn der konträre Trend von rückläufiger Arbeitslosigkeit einhergehend mit unterdurchschnittlichem Lohnwachstum ist weltweit zu beobachten.

In den USA könnte dieser Trend nun brechen. Die Stundenlöhne kletterten im Vergleich zum Vorjahr überraschend stark und damit auf den höchsten Stand seit 2009. Ob sich das auch künftig in höherer Inflation niederschlagen wird oder ob strukturell niedrigere Werte die neue Normalität sind, wird erst im Rückspiegel erkennbar sein.

Stehen nach dieser Trendumkehr höhere Zinsen ins Haus?

Vermutlich ja, aber mit zeitlicher Verzögerung zu den USA, wo die Fed die Zinsen bereits angehoben hat. Keinesfalls will die EZB die konjunkturelle Erholung Europas abwürgen. Die Festlegung der Leitzinsen ist die Möglichkeit einer Zentralbank, auf die Kreditvergabe einzuwirken. Sind die Kapazitäten ausgelastet, übersteigt die Nachfrage das Angebot und Unternehmen setzen höhere Preise durch. Erhöht die EZB nun den Zinssatz, verteuern sich auch die Darlehenskosten für Konsumenten und Produzenten, beide Teilnehmer fragen weniger Kredite nach (Immobilien, Konsum), was folglich die Preise dämpft. Sollte die Inflation ansteigen, besteht die Schwierigkeit für die EZB darin, einen eleganten Weg zu finden, um die Zinsen anzuheben, ohne gleichzeitig die Konjunktur abzuwürgen. Andererseits würde Untätigkeit, angesichts der starken wirtschaftlichen Entwicklung, zu einer Überhitzung führen. Wird aber zu stark an der Zinsschraube gedreht, wären panische Reaktionen die Folge, was nicht im Interesse der Notenbanken liegt. Einen Vorgeschmack dieses Szenarios bekamen die Marktteilnehmer heuer Anfang Februar, als starke US-Lohnzuwächse die Renditen auf mehrjährige Höchststände trieben, während die Aktienmärkte einbrachen. Die Befürchtung war, dass die Fed die Zinsen in Folge anziehender Inflation stärker anheben hätte müssen, als bisher geplant. Zwei Effekte bremsen die Kurse dann: Erstens werden bei steigenden Renditen Anleihen im Verhältnis zu Aktien interessanter. In den USA liegen mittlerweile auch kürzere Zinsen über der Dividendenrendite des S&P 500. Folgende Grafik vergleicht die 5-jährigen US-Renditen mit der Dividendenrendite des S&P 500. In Europa sind wir davon noch weit entfernt, unter Annahme einer zeitlichen verzögerten Nachfolge, könnten auch hierzulande die Zinsen die Aktienerträge überholen.

Vergleich: Zinsen 5-jähriger US-Treasuries vs. Dividendenrendite S&P 500

Quelle: Bloomberg; Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein verlässlicher Indikator für die zukünftige Entwicklung.

Zweitens wird es für Unternehmen bei steigenden Marktzinsen teurer ihre Investitionen zu finanzieren, was wiederum die Gewinne schmälert. Nebenher sinken die Margen, weil höhere Inputpreise nicht unendlich an Konsumenten weitergegeben werden können.

Inflation und steigende Zinsen belasten die Kurse fixverzinster Anlagen. Was ist zu tun?

Inflationsgeschützte Anleihen sind eine Möglichkeit, das Vermögen gegen Geldentwertung abzusichern und sind daher aus strategischen Gesichtspunkten generell eine gute Beimischung in einem diversifizierten Portfolio. Davon abgesehen gibt es aus taktischer Sicht günstige und weniger günstige Zeitpunkte, die Gewichtung in den Portfolios zu erhöhen oder zu senken - auch basierend auf der Attraktivität der Alternativen. Ob inflationsgeschützte Anleihen interessant sind, erkennt man am besten an den eingepreisten Inflationserwartungen. Dazu wird z. B. die zurückliegende Entwicklung mit dem aktuellen Wert verglichen. Liegt dieser weit unter dem historischen Durchschnitt stehen die Chancen gut. Daneben kommuniziert die EZB als Währungshüterin ihr Inflationsziel, das etwas unter 2% liegt.

Inflationserwartungen für zehn Jahre, anhand von am Markt gehandelten Derivaten

Quelle: Bloomberg; Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein verlässlicher Indikator für die zukünftige Entwicklung.

In obiger Grafik ist das Inflationsziel der EZB bei 2% in Rot eingezeichnet. Die Inflationserwartungen in Europa weisen aktuell einen Wert von 1,56% p. a. auf zehn Jahre aus. Mit anderen Worten: Die Marktteilnehmer erwarten aktuell eine durchschnittliche Inflation von 1,56% p. a. auf zehn Jahre. Das ist sowohl unter dem langjährigen Durchschnitt als auch deutlich unter dem Inflationsziel der EZB. Die Europäische Zentralbank wird daher weiter expansiv auftreten, um ihr Inflationsziel zu erreichen und die Leitzinsen tief halten. Die Grafik zeigt auch ein teilweises Überschreiten der Inflationserwartungen über den Zielwert. Nehmen die Preise erst einmal Fahrt auf, ist es schwer die entgegengesetzte Wirkung zu erzeugen, weil die Preise träge auf die sodann restriktivere Geldpolitik reagieren. Die Anlageexperten der Schoellerbank empfehlen die Beimischung von inflationsgeschützten Anleihen, zumindest bis die Inflationserwartungen den Zielwert der EZB von 2% erreichen.

Fazit: Die Inflation kommt, aber etwas gedämpfter als bisher

Es gibt Anzeichen für strukturelle Veränderungen, die die Inflation künftig dämpfen werden. Dafür spricht der schwache Preisauftrieb, weil die Arbeitnehmer trotz anhaltendem Aufschwung derzeit keine höheren Löhne durchsetzen können - das muss jedoch nicht so bleiben. Neue preistreibende Effekte können entstehen, die jetzt noch nicht erkannt werden. In den USA liegt die aktuelle Inflationsrate trotz allem über dem Zielniveau von 2%. Europa liegt noch dahinter, wird aber folgen. Auch hier brummt die Konjunktur und vom Arbeitsmarkt kommen positive Impulse, die einen Lohndruck erzeugen werden. Wegen der unsicheren Zukunft sind die eingepreisten Inflationserwartungen sehr tief. Das eröffnet Chancen für antizyklische Anleiheninvestoren. Geht das Szenario auf und die Inflationserwartungen steigen, sollten inflationsgeschützte Anleihen vorteilhaft sein. Die Anlageexperten der Schoellerbank investieren daher eine historisch hohe Quote in inflationsgeschützte Anleihen ("Stark Übergewichtet"). Abseits inflationsgeschützter Anleihen ist eine kurze Restlaufzeit des Anleihenportfolios empfehlenswert, um sich gegen steigende Renditen zu wappnen. Längere Laufzeiten werden erst nach einem Anstieg auf die Höhe des aktuellen US-amerikanischen Inflationsniveaus interessant.
Autoren: Mag. Michael Penninger Asset Management, Schoellerbank AG Tel. +43/662/86 84-2681
Rückfragen bitte auch an: Marcus Hirschvogl, BA Pressesprecher Schoellerbank AG Tel. +43/1/534 71-2950 1010 Wien, Renngasse 3

Die Schoellerbank, gegründet 1833, ist eine der führenden Privatbanken Österreichs, die als Spezialist für anspruchsvolle Vermögensanlage gilt. Sie konzentriert sich auf die Kernkompetenzen Vermögensanlageberatung, Vermögensverwaltung und Vorsorgemanagement. Ihre Anlagephilosophie definiert sich über das Motto "Investieren statt Spekulieren". Die Schoellerbank ist mit 10 Standorten und 317 Mitarbeitern die einzige österreichweit vertretene Privatbank. Sie verwaltet für private und institutionelle Anleger ein Vermögen von mehr als 11 Milliarden Euro. Die Schoellerbank ist eine 100%ige Tochter der UniCredit Bank Austria.
Mehr Informationen unter: www.schoellerbank.at

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