Zwangsabgaben und Vermögenssteuern als Allheilmittel einer zu hohen Staatsverschuldung? - Schoellerbank Analysebrief Nr. 241, November 2013

  • Der IWF hat mit einem provokanten Vorschlag in seinem Finanzbericht "Fiscal Monitor - Taxing Times" viel Staub aufgewirbelt. Alle privaten Haushalte in der Eurozone sollen einmalig 10% ihres Nettovermögens (also Vermögen abzüglich vorhandener Kredite) an den Staat abliefern, um die Staatsfinanzen zumindest zum Teil zu sanieren.

  • Der Vorschlag hält einer empirischen Prüfung nicht stand und ist nicht belastbar. Die Wahrscheinlichkeit für einen Vermögenspreis-Schock - mit allen Folgen für die Realwirtschaft - wäre hoch.

  • Falls sich Regierungen zu neuen Vermögenssteuern oder gar Zwangsabgaben trotz der ökonometrischen Bedenken entscheiden sollten, dürften Immobilienvermögen, die nicht durch Grundschulden belastet sind, ein Hauptziel der Behörden werden.

  • Wirtschaftlich vernünftiger ist, Steuern nicht zu erhöhen, sondern vielmehr im gleichen Ausmaß wie die Ausgaben zu senken. Die Alternative, eine Entschuldung des Staates über eine Monetarisierung, hat natürlich ebenfalls ihren Preis - ein Abbau der Schulden ohne wirtschaftliche Kosten ist nicht möglich - allerdings zeigen historische Beispiele, dass derartige Maßnahmen nicht zwangsläufig das Wachstum einschränken müssen. Vielmehr wird hier die Rechnung allen Geldbesitzern (einschließlich Ausländern, die die jeweilige Währung halten) präsentiert. Der Entschuldungsprozess verläuft bei einer Monetarisierung - wenn es von den Notenbanken gut gemacht wird - nicht schlagartig, sondern über viele Jahrzehnte schleichend. Wir befinden uns mitten in diesem Prozess.

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Schoellerbank Analysebrief Nr. 241101 KB

Die Details Nicht nur hohe Staatsschulden sind grundsätzlich negativ für den Wohlstand einer Nation einzustufen, insbesondere was die Wachstumsraten angeht, sondern auch die Schulden der Privathaushalte und der Unternehmen. Selbst bei sehr hohen Staatsschulden gibt es aber Möglichkeiten, die negativen Auswirkungen auf den Wohlstand gering zu halten. Dabei werden diese Staatsschulden hin zur Zentralbank transferiert. Diese kauft dem Staat neue Emissionen ab bzw. erwirbt Staatsanleihen am freien Markt. Die Zinszahlungen, die die Zentralbank dafür erhält, leitet diese an den Staat weiter. Der Vorgang stellt aber keine wundersame Geldvermehrung dar, vielmehr wird diese Art der Entschuldung des Staates letztlich von allen Geldbesitzern in der jeweiligen Währung bezahlt. Fachleute sprechen von einer Monetarisierung der Schulden. Unternehmen und Privathaushalte in dieser Weise zu entlasten, ist möglich, stellt die Zentralbank aber vor wesentlich höhere Herausforderungen.

Es ist aus dieser Sicht besser, wenn die Hauptschuldenlast beim Staat und nicht bei den Unternehmen und Privaten liegt (wobei deren Schulden andererseits wesentlich effektiver eingesetzt wurden und (in der Vergangenheit) mehr Wohlstand produzierten als Staatschulden). Eine hohe Verschuldung ist schlecht. Das Problem lässt sich aber durch Budgetdisziplin - sprich Ausgabensenkungen, kombiniert mit einer Monetarisierung der Schulden (was die Staatsschulden betrifft) - lösen. Der IWF schlägt eine Teillösung der hohen Staatsschulden durch eine Belastung der Privathaushalte vor. Hohe Steuern haben eine noch wesentlich katastrophalere Wirkung auf das Wachstum als hohe Schuldenstände. Die empirische Beweislast, dass ein hoher Anteil des Staates an der gesamten Wirtschaftsleistung eine schädliche Auswirkung auf den Wohlstand der Menschen hat, ist erdrückend. Wir verweisen auf die Analysebriefe 211, 218 und 233. Dort sind zahlreiche Quellen genannt. Insofern sind Vorschläge einer Vermögenssteuer wie beispielsweise von Bach et al. (DIW 2012) vorgeschlagen, kontraproduktiv. Der Vorschlag einer "Capital Levies", also einer einmaligen Zwangsabgabe, die nun vom IWF ins Gespräch gebracht wird, ist nicht nur kontraproduktiv, sondern insofern gefährlich. Die Menschen werden verunsichert, besonders wenn diese Vorhaben eine breite Streuung durch die Medien erfahren (das tun derartige Vorschläge von den großen supranationalen Organisationen stets). Wird eine Zwangsabgabe von einem Industrieland erhoben, wären die Auswirkungen auf die Verbraucher in allen anderen Industrie- und Schwellenländern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mehr als spürbar. Man könnte sich auch in anderen Staaten nicht mehr sicher sein, ob der eigene Staat eine derartige Zwangsabgabe nicht auch als Blaupause verwendet. Griechenland werten wir nicht als Beispiel, da das Land erdrückende Probleme hat und nicht als Industrieland gewertet werden kann. Eine Abgabe auf börsengehandelte Wertpapiere könnte zudem zu einem Schock auf diesen Märkten führen, da viele Anleger diese Steuerlast mit Teilverkäufen ihrer Assets finanzieren müssten. Die Märkte machen im Regelfall die Neuigkeiten und nicht umgekehrt. Derartige Schocks können sich folglich schnell auf die Realwirtschaft negativ auswirken. Wenn, dann müsste diese Zwangsabgabe bis zu einem Stichpunkt geheim gehalten und international koordiniert werden, zumindest die G20-Länder müssten dafür an einem Strang ziehen. Das ist völlig unrealistisch. Zudem wäre der Vertrauensbruch eklatant. Auch die Erfahrungen aus der Geschichte mit derartigen Zwangsabgaben sind alles andere als positiv. Als "Wehrbeitrag" führte das Deutsche Reich 1913 eine einmalige Abgabe auf höhere Vermögen und gleichzeitig Einkommen ein. Damals wurden Vermögen über 10.000 Mark (das entsprach in etwa dem neunfachen Jahreseinkommen eines Durchschnittsbürgers) bis 1,5% belastet. Zusätzlich wurden Einkommen über 5.000 Mark mit bis zu 8% belastet. Der aktuelle Vorschlag von 10% des Nettovermögens wirkt vor diesem Hintergrund, und den Problemen, die damit einhergingen, geradezu absurd. In den 1950er Jahren führte Deutschland einmalige Lastenausgleichsabgaben ein (Wiederaufbau, Mittel für Kriegsvertriebene). Das "Investitionshilfegesetz" von 1952 sah eine Zwangsanleihe zugunsten von Investitionen in einzelnen Grundstoffindustrien vor. Bitte beachten Sie, dass die Verhältnisse unmittelbar nach dem Krieg nicht mit heute vergleichbar sind. Falls ein Staat sich trotz der wirtschaftlichen Bedenken zu Vermögens- bzw. Zwangsabgaben durchringen sollte, dann dürfte das Immobilienvermögen eines der Hauptziele der Behörden werden. In Europa macht dieser Vermögensteil erstens den Löwenanteil der Vermögen aus (Aktien spielen in Europa kaum eine Rolle, Sparbuch, Lebensversicherungen, Bausparer und Anleihen nehmen eine etwas größere Rolle ein). In Deutschland macht beispielsweise aber das Immobilienvermögen in etwa die Hälfte (!) des Gesamtvermögens aus. Es beläuft sich auf EUR 5,5 Billionen oder 230% des BIP. Bei Finanzvermögen können sich die Steuerpflichtigen der Besteuerung durch illegale Maßnahmen, wie der Hinterziehung, bzw. legal durch Verlagerung des Wohnsitzes entziehen. Bei Immobilienvermögen ist beides nicht möglich. In vielen Krisenländern wie z. B. Italien wurden folgerichtig die Steuern auf Immobilien bereits markant erhöht. Auch sind Immobilienpreise in der Regel nicht börsengehandelt. Sofern Steuern auf nicht kreditfinanzierte Immobilien erhoben werden, sind Schocks auf den Finanzmärkten, ausgelöst durch neue Abgaben auf Immobilien, eher unwahrscheinlich. Diese Rahmenbedingungen machen Immobilienvermögen - besonders jenes Vermögen - welches nicht durch Kredite belastet ist, aus Sicht von Finanzbehörden attraktiv für Steuermaßnahmen. Ausweichreaktionen sind faktisch ausgeschlossen. Im Anhang finden Sie noch einige Tabellen zu diesem Thema sowie wichtige rechtliche Hinweise und das Impressum.

Budgetdefizite großer Industrienationen (Angaben in Prozent des BIP)

Quelle: IWF

Staatsverschuldung großer Industrienationen (Angaben in Prozent des BIP)

Quelle: IWF

Anteil am Gesamtaufkommen der Reichsten 10% der Bevölkerung am Gesamtsteueraufkommen

Quelle: Luxembourg Income Study und IWF Schätzungen

Autor: Christian Fegg Direktor Leiter Asset Management Informationsservice/Research Schoellerbank AG Tel. +43/662/86 84-2670

Rückfragen bitte auch an: Mag. Rolf Reisinger, Direktor Kommunikation und Public Relations Schoellerbank AG Tel: +43/662/86 84-2950 5024 Salzburg, Schwarzstraße 32


Die Schoellerbank, gegründet 1833, ist eine der führenden Privatbanken Österreichs, die als Spezialist für anspruchsvolle Vermögensanlage gilt. Sie konzentriert sich auf die Kernkompetenzen Vermögensanlageberatung, Vermögensverwaltung und Vorsorgemanagement. Ihre Anlagephilosophie definiert sich über das Motto "Investieren statt Spekulieren". Die Schoellerbank ist mit 12 Standorten und 313 Mitarbeitern die einzige österreichweit vertretene Privatbank. Sie verwaltet für rund 22.000 private und institutionelle Anleger ein Vermögen von rund 8,9 Milliarden Euro. Die Schoellerbank ist eine 100%ige Tochter der UniCredit Bank Austria. Mehr Informationen unter: www.schoellerbank.at.

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