Staatliche Willkür bei Anleihen - Nachträgliche CACs und andere Stolpersteine - Schoellerbank Analysebrief Nr. 243, Dezember 2013

  • CAC's sollen die Abwicklung von zahlungsunfähigen Schuldnern erleichtern. Sie wurden erstmals in Europa im Falle Griechenlands nachträglich und daher etwas "unsauber" eingeführt. Mittlerweile sind sie bei allen neuen Staatsanleihen in Europa Realität.
  • Nun gibt es auch in Österreich Fälle, die rein wirtschaftlich und ohne externe Hilfe ihre Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen könnten. Auch hier wird mit "kreative Lösungen" in eine ähnliche Richtung nachgedacht, wie im Falle Griechenlands oder Zyperns.
  • Anleger dürfen nicht auf Automatismen vertrauen und müssen mit politisch verordneten nachträglichen Vertragsänderungen rechnen. Wenig Hilfe leisten dabei üblicherweise Ratings, einen besseren Anhaltspunkt geben oft die Einschätzungen anderer Marktteilnehmer anhand gehandelter Preise.
  • Man kann durchaus Anleihen mit hohen Renditen als Beimischung erwerben, sollte sich aber jedenfalls bewusst sein, woher die Mehrrendite kommt. Nachträgliche Beschwerden, man habe über die (politischen) Risken nicht Bescheid gewusst, sollten an der Ehre des Investors kratzen.

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Die Details Kurze Geschichte der CAC‘s Collective Action Clauses - abgekürzt CAC‘s, also kollektive Handlungsklauseln, gelangten im Zuge der Probleme südamerikanischer Staaten in den 1990er Jahren erstmals ins öffentliche Interesse. Bis dahin - so geht die Mähr - haben sich kaum Anleihengläubiger im Detail mit dem Vertragswerk der von ihnen gekauften (Staats-)Emissionen auseinandergesetzt. Zahlte ein Schuldner eine einzige Anleihe nicht (oder nicht vollständig) zurück oder geriet er mit einem Kupon in Verzug, so wurde eine Insolvenz - ein "default event" - ausgelöst. Für Gläubiger ist so etwas neben dem Verlust eines Teiles des investierten Kapitales üblicherweise mit einem langwierigen und kostspieligen juristischen Nachspiel verbunden. Die Idee bei den neu eingeführten kollektiven Handlungsklauseln: Eine qualifizierte Mehrheit der Anleihengläubiger solle Vertragsänderungen beschließen können, die danach für alle Gültigkeit erlangen. Auch für diejenigen, die nicht zugestimmt haben. Das Abgehen vom Einstimmigkeitsprinzip sollte die Trägheit in der Abwicklung überwinden - ähnlich wie auch bei manchen EU-Abstimmungen gefordert. Seit über 10 Jahren plante man, solche CAC’s auch bei europäischen Staatsanleihen einzuführen, werden sie doch allgemein im Falle von Zahlungsschwierigkeiten als Vereinfachung der Abwicklung gesehen. Dennoch wurde, teils auf akademischem Niveau, über eine mögliche Verteuerung der Finanzierung für die Schuldner diskutiert, die tatsächliche

Einführung wurde aber immer wieder auf die lange Bank geschoben. Das Licht der Welt erblickten die europäischen CAC’s auf eine gelinde gesagt "unsaubere" Art und Weise: Beim griechischen Schuldenschnitt 2012 wurden die kollektiven Klauseln im Nachhinein in bestehende (nationale) Anleihenbedingungen hinein reklamiert. Damit konnte eine offizielle Insolvenz vermieden werden, derivative Verträge auf griechische Anleihen wurden so nicht ausgelöst. Die Lawine begann durch diesen Kniff erst gar nicht richtig Fahrt aufzunehmen, mittlerweile scheint die Schneedecke wieder solide gesetzt. Dass institutionelle Investoren - und mitten in ihrem Kreis die EZB - zustimmten und so über die verbleibenden Privatanleger bestimmen konnten, wurde in der öffentlichen Berichterstattung unter den Teppich gekehrt. Auch in Zypern wurden private Anleger an Verlusten beteiligt, wenn auch auf eine technisch etwas andere Art und Weise. Seit Beginn 2013 sind CAC’s in allen neuen Euro-Staatsanleihenbedingungen berücksichtigt, Aufstockungen von Altemissionen können nur mehr in sehr eingeschränkten Grenzen vorgenommen werden. Der Fall Hypo Kärnten Seit Jahren beschäftigt auch in Österreich ein Fall die öffentliche Diskussion, der wirtschaftlich ohne Hilfe von außen bereits insolvent wäre: Die Hypo Alpe-Adria. In der Boomphase wurden angeblich im Gießkannenprinzip Kredite im In- und Ausland vergeben. Große Teile des verborgten Geldes sind mittlerweile offensichtlich nicht mehr einbringlich. Quellen aus dem Inneren des Unternehmens versichern glaubhaft, dass vor allem Darlehen in den südlichen Nachbarländern oft gänzlich unbesichert waren. Das Geschäftsmodell überproportionalen Wachstums auf Kosten genauer Risikoprüfung hat sich nicht durchgesetzt und kann noch weniger in Zukunft bestehen. Wenn nun in einer Bank auf der Aktivseite der Bilanz wesentliche Abschreibungen vorgenommen werden müssen, wirkt sich das natürlich auch auf der Finanzierungsseite aus. Da diese potenziell wesentlich höher ausfallen können als durch das Eigenkapital gedeckt, steht mittlerweile das Fremdkapital im Rampenlicht. Banken finanzieren sich fremdkapitalseitig üblicherweise über verschiedene Wege, angefangen von hybriden Mischformen über vorrangige Schulden (z. B. "senior-bonds", zu dieser Stufe zählen aber auch Spareinlagen) bis hin zu zusätzlich besicherten Anleihen, wie Pfandbriefen oder Anleihen mit Landeshaftung. Vor allem auf letztere fokussiert sich die Diskussion, da wohl sämtliche Wertpapiere mit niedrigerem Rang nicht ausreichen werden, die Verluste aufzufangen. Das Land Kärnten hatte vor allem in der Ära Haider seine Haftungen für die einst landeseigene Hypo um ein Vielfaches auf einen zweistelligen Milliardenbetrag aufgeblasen. Ein Grund war die konkurrenzlos niedrige Verzinsung dieser Schulden aufgrund der letztlich relevanten Bonität der Republik Österreich oder zumindest der des Landes Kärnten. Anleihen mit derartigen Haftungen konnten bis 2007 emittiert werden, sie weisen noch Laufzeiten bis einschließlich 2017 auf (manche kleinere Ausnahmen auch bis 2018). Anmerkung: Nach 2007 wurde dieser günstigen Finanzierungsform wegen Wettbewerbsverzerrung von der EU ein Riegel vorgeschoben. Im konkreten Fall der Kärntner Hypo ergibt sich nun eine spezielle Problematik: Kann die Bank ihrer Verpflichtung der Tilgung nicht nachkommen, ist gemäß der Landesgarantie das Land Kärnten zur Erfüllung verpflichtet. Die Erfüllung der Haftung wiederum würde das nicht gerade wirtschaftsstarke Bundesland selbst in den Ruin treiben (der Bund würde dieses wohl im Zuge des Finanzausgleiches auffangen, in der Geschichte der zweiten Republik wurde noch nie eine Gebietskörperschaft "fallen gelassen").

Mündelgelder Dass das Land wohl nicht in die Insolvenz geschickt werden kann, hat noch einen anderen trivialeren Grund: Viele dieser nach § 217 ABGB als mündelsicher geltenden Anleihen mit Landeshaftung liegen in mündelsicheren Fonds, welche z. B. zur Veranlagung von Erbschaften unmündiger Minderjähriger oder der Guthaben besachwalterter Personen geeignet sind. Bei einer (rein hypothetischen) ungeregelten Insolvenz Kärntens müsste der österreichische Mündelmarkt herbe Verluste einstecken. Es wäre auch das Vertrauen in andere Anleihen mit Landeshaftungen grundlegend erschüttert. Eine politisch wenig wünschenswerte Option, dass ausgerechnet besonders Schützenswerte die Verluste aus einer - politisch mit verantworteten - Bankenpleite tragen müssten. Die Auswirkungen würden nicht zuletzt über die Grenzen Österreichs hinweg schwappen bis hin zu deutschen Bundesländern, eine neue Krise wäre vorprogrammiert. Plan B Nachdem die Insolvenz einer Gebietskörperschaft keine Option ist, der Schaden fürs Budget (und den Steuerzahler) aber zumindest verringert werden soll, denkt man nun über andere kreative Lösungen nach. Vorbild scheint dabei ausgerechnet die etwas unsaubere Lösung in Griechenland oder Zypern sein: Über nachträgliche Änderung der Anleihebedingungen könnte man sich von einer Mehrheit der Gläubiger ein "freiwilliges Umtauschangebot" absegnen lassen, das alle ausstehenden Verbindlichkeiten beschneiden würde. In Diskussion steht momentan 1/3 des ausständigen Nominales. Markteinschätzung Anleihenhändler nehmen die verzwickte Situation schon länger wahr als die öffentliche Diskussion. So hat sich der Risikoaufschlag von Hypo Alpe-Adria-Anleihen mit Landeshaftung (bereits vor den letzten Meldungen und dem damit verbundenen Kurssturz) seit März auf aktuell 2,7% mehr als verdoppelt. Das Renditeniveau lag damit deutlich über dem durchschnittlicher europäischer Nachrang-Bankanleihen (iTraxx Financials subordinated) und auf dem Niveau von Ramschanleihen mit einem Rating von BB+ oder schlechter. Und das, obwohl die Agentur Moody’s diesen Anleihen immer noch ein gutes "Single-A"-Rating zubilligt. Nach den jüngsten öffentlichen Spekulationen um eine Verlustbeteiligung explodierten die Aufschläge sogar auf über 7%. Stellt sich also die Frage: Sind die Landeshaftungs-Anleihen der ehemaligen Landesbank billig oder teuer? Mein Bauchgefühl sagt mir, für einen mündelsicheren Bond mit Landeshaftung billig. Dennoch muss man sich jedenfalls fragen, warum der Markt die Anleihe derart billig bewertet und sollte sich des Szenarios "freiwillige Verlustbeteiligung" bewusst sein. Es mag zwar nicht das Basisszenario sein, dennoch muss man die Möglichkeit in Betracht ziehen. Fazit Anleger sollten ihr Hirn generell einschalten. Wenn Single-A-Anleihen auf dem Niveau von Ramschpapieren handeln, dann gibt es üblicherweise Gründe dafür. Mutige Anleger, die nicht an eine Insolvenz oder an einen von der Politik verordneten freiwilligen Schnitt glauben, können solche Papiere bewusst zukaufen. Eine blauäugige Anlage in ein - rein formell - mündelsicheres Papier kann in einem blauen Wunder enden. Genau wie das schon unzählige Male in der Vergangenheit passiert ist. Danach will niemand von den Risken gewusst haben. Mündige Investoren sollten ihre Entscheidungen vor einem Engagement prüfen, nachträgliches Jammern sollte an der Ehre des Investors kratzen. Mag. Felix Düregger Asset Management Schoellerbank AG Tel. +43/662/86 84-2678

Rückfragen bitte auch an: Mag. Rolf Reisinger, Direktor Kommunikation und Public Relations Schoellerbank AG Tel: +43/662/86 84-2950 5024 Salzburg, Schwarzstraße 32


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