Die Fracking-Blase - mit welchen Auswirkungen auf die Finanzmärkte zu rechnen ist - Schoellerbank Analysebrief Nr. 289 Februar 2016

  • Wir analysieren die Umstände, die zum massiven Ölpreisverfall führten

  • Was bedeutet das für die Weltwirtschaft? Überwiegen die Gefahren, oder doch die Chancen?

  • Wie sollten sich Investoren jetzt verhalten?

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Eines vorweg: Dieses Thema ist sehr komplex! Unser Hauptaugenmerk liegt auf den wirtschaftlichen Fakten. Doch wenn es um den Ölpreis geht, spielt noch viel mehr eine Rolle. Vor allem die im Ölgeschäft allgegenwärtigen politischen Hintergründe sind nicht einschätzbar. Es geht um Milliarden-Investitionen in eine technologisch sehr fortgeschrittene Öl-Fördermethode. Verglichen mit der konventionellen Ölproduktion ist "Fracking" eine teure Angelegenheit. Noch dazu ist die Produktion kurzlebiger, das heißt: Nach wenigen Jahren beträgt die Förderquote nur mehr einen Bruchteil der anfänglichen Ausbeute. Die Auswirkungen auf die Umwelt sind gravierend und Fracking ist aus gutem Grund in den meisten europäischen Ländern und auch in einigen US-Bundesstaaten verboten. Dank dieser Technik konnten die USA ihre Öl-Produktion von 5 Millionen Barrel pro Tag, auf über 9 Millionen Barrel pro Tag steigern. Damit sind die USA fast gleichauf mit den beiden weltweit größten Öl-Produzenten: Saudi Arabien und Russland. Diese beiden Länder produzieren jeweils 10 Millionen Barrel pro Tag. Die Organisation der Erdöl exportierenden Länder (kurz OPEC), unter der Führung von Saudi Arabien, hat der US-Fracking-Industrie den Kampf angesagt. Und der sinkende Ölpreis lässt Investoren nun um ihr Geld zittern. "Investiere nur in Dinge, die du auch verstehst." ist eine der wichtigsten Regeln in der Vermögensanlage. Hätten sich die meisten Investoren daran gehalten, wäre niemals so viel Geld in diese Industrie geflossen. Doch uninformierte und daher zu optimistische Investoren sind der Treibstoff jeder Blase. Eine Blase entsteht 2003 begann der Ölpreis zu steigen. "Peak Oil" war in aller Munde und das Ende des Ölzeitalters wurde eingeläutet. Die US-Energieindustrie sah ihre Stunde gekommen. Die Fracking-Technologie wurde bislang hauptsächlich zur Gewinnung von Gas verwendet. Nun war die Technologie aber so weit entwickelt, dass man sie auch für die Ölförderung im großen Stile einsetzen wollte. Ab einem Ölpreis von etwa USD 50 rechnet sich das Fracking. Die USA hatten natürlich Interesse am Erfolg dieser Fördermethode, ging es doch darum, von Öl-Importen aus instabilen und weit entfernten Regionen unabhängig zu werden. Ökologische Bedenken waren rasch kein Thema mehr.

In den kommenden Jahren stieg die Förderung gemeinsam mit dem Preis an und die Ölindustrie machte hohe Gewinne. Auch die Finanzkrise 2007 tat dem keinen Abbruch. Doch 2014 kam das Unvermeidliche: Die Nachfrage konnte mit dem gestiegenen Angebot längst nicht mehr mithalten. Als Saudi Arabiens Öl-Minister ankündigte den Öl-Export seines Landes auszuweiten, um die US-Fracking-Industrie zu schwächen, sprang er nur auf den bereits ins Rollen gekommenen Zug auf. Die Krise setzt ein Wann immer Dinge sich anders entwickeln als erwartet, wollen wir Menschen es zuerst nicht wahrhaben. Die "5 Phasen der Trauer" lassen sich auf den Finanzmarkt übertragen: Leugnen - Zorn - Verhandeln - Depression - Akzeptanz. In welcher Phase steckt die Ölindustrie? Als der Ölpreis Mitte 2014 zu sinken begann, hörte man viele Gründe, warum das nicht weiter besorgniserregend sei: Die Nachfrage sei stabil, also wird der Preis sich bald erholen. Die Produzenten haben ihre Verkäufe abgesichert, also besteht keine Gefahr für die Bilanzen. Die Produktion passe sich rasch an die neuen Gegebenheiten an, also wird der Markt bald wieder zum "Gleichgewichtspreis" zurückfinden. Fracking sei auch bei niedrigen Ölpreisen noch profitabel, also werden die Gewinne noch auf Jahre hinaus sprudeln. Jedes einzelne dieser Argumente hat sich als nicht stichhaltig herausgestellt. Den eindeutigsten Beweis lieferten die Energiefirmen selbst: Sie haben die Exploration neuer Förderstellen abgebrochen und eine Welle von Entlassungen vorgenommen. Für die oft sehr armen US-Bundesstaaten in denen Fracking betrieben wird, bedeutet das eine soziale Katastrophe. Trotz dieser Maßnahmen ist die Ölproduktion 2015 sogar noch gestiegen. Der Grund: Eine neu errichtete Fracking-Anlage sprudelt in den ersten Jahren nur so vor Öl, während eine ältere Anlage meist nur mehr tröpfelt. Man kann also eine Menge dieser alten, ineffizienten Anlagen abschalten, ohne dass sich die Nadel bei der Gesamtproduktion nach unten bewegt. Mittlerweile sinkt die Produktion aber, weil nicht mehr in neue Kapazitäten investiert wird. Der Heilungsprozess beginnt Ab einem Preis von USD 70-100 ist Fracking für Investoren richtig profitabel. Ein Preis von rund USD 50 wird oft als "Break Even" bezeichnet. Darunter verdient man nichts mehr. Doch selbst bei einem Ölpreis von USD 30 und darunter werfen bestehende Anlagen noch ausreichend positiven Cash Flow ab, um die laufenden Kosten zu decken. Denn die laufenden Kosten betragen nicht einmal die Hälfte der Gesamtkosten. Der andere Teil sind die Investitionen, die bereits getätigt wurden, ehe auch nur ein Barrel Öl zu fließen begann. Im Klartext heißt das: Auch wenn das Kapital der Aktionäre beim heutigen Ölpreis weitgehend verloren ist, hat das Unternehmen noch Zeit, ehe es der bitteren Wahrheit ins Auge blicken muss. Das Leugnen geht also weiter, bis der zu erwartende Zorn der Kapitalgeber eine neue Phase einleitet. Pleiten stehen dann an der Tagesordnung. Die ersten Konkurse hat es schon gegeben, doch an der Überproduktion ändert auch das noch wenig. Die im Ausgleichsverfahren abgeschriebenen Förderanlagen gehen zu Schleuderpreisen an neue Besitzer über. Die hohen Anlaufkosten fallen für den neuen Betreiber nicht mehr ins Gewicht. Es wird also munter weitergefördert. Hier zeigt sich die strategische Schwäche der US-Fracking Gegner: Private Ölunternehmen kann man in den Ruin treiben, aber die Produktion geht weiter, bis die Erträge nicht mehr reichen, um die laufenden Kosten zu decken. Das tritt zum einen dann ein, wenn der Ölpreis noch wesentlich weiter fällt. Gemäß unterschiedlichen Schätzungen würden die meisten Fracking-Anlagen bei einem Ölpreis unter USD 20 oder sogar erst unter USD 15 stillgelegt. Zum anderen kann der Ölpreis sich auch bei USD 30 stabilisieren, doch eine Ölquelle wird mit der Zeit immer weniger ergiebig und irgendwann rechnet sich die Förderung auch beim aktuellen Preis nicht mehr. Das kann jedoch ein, zwei Jahre dauern. Unter diesen Umständen ist ein schnelles Ende des Frackings nicht abzusehen.

Den Schaden verteilen Für den Verbraucher ist die Situation hingegen erfreulich. Für die breite Volkswirtschaft ist der fallende Ölpreis so gut wie ein paar Zinssenkungen in Serie. Eine volkswirtschaftliche Daumenregel besagt, dass ein Fall des Ölpreises um 10% das Wachstum um 0,3% anhebt. Seit 2014 ist der Ölpreis um 70% gefallen, bedeutet das also 2,1% zusätzliches Wachstum? Die Realität ist nicht so linear, wie Ökonomen es gerne hätten. Was ist mit den Verlusten aus den gescheiterten Fracking-Projekten? Der niedrige Ölpreis ist auch längst nicht nur ein Problem für eine Industrie in den USA. In Kanada wird auch Fracking betrieben und Öl aus Öl-Sanden gewonnen, was ebenfalls einen hohen Ölpreis voraussetzt. Und dann erst die erdölproduzierenden Länder in anderen Teilen der Welt, die ihr Öl zwar meist noch mit billigeren Methoden fördern können, deren Staatshaushalte aber zu einem hohen Maße vom Ölpreis abhängen. Es ist nachvollziehbar, dass der Markt die negativen Auswirkungen des billigen Öls stärker gewichtet als die positiven. Doch wie wahrscheinlich ist es, dass es zu einer weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise wegen des billigen Öls kommt? Die großen Banken in den USA haben ihre Bücher offen gelegt und die Risiken aus dem Energiesektor bewertet. Es geht wie immer um riesige Summen: Insgesamt wurden über USD 120 Milliarden an Krediten vergeben. Für Wells Fargo, Citigroup und Bank of America, welche am meisten Kredite vergeben haben, sind das weniger als 4% des gesamten Kapitals. Und es ist nicht damit zu rechnen, dass alles oder auch nur das meiste Geld weg ist. Banken vergeben Kredite in der Regel gegen Sicherheiten. Es ist also eher unwahrscheinlich, dass daraus ein Problem entsteht. Kanadische Banken sind wesentlich stärker betroffen. Die Ratingagentur Moody’s hat erst am 22. Februar gewarnt, dass das kanadische Banksystem mehr Kapital benötigen könnte. Noch schlechter könnte es den vielen Investoren gehen, die Anleihen von Energiefirmen mit schlechter Bonität (High Yield Bonds) gekauft haben. Bei Ausfällen ist oft der Großteil des Geldes weg. Es ist schwer zu sagen, wer diese Titel hält. Hauptsächlich dürften Pensionskassen, Versicherungen und viele Privatinvestoren betroffen sein. Die Schoellerbank hat übrigens nie in High Yield Anleihen investiert, da wir deren Kreditrisiko für nicht einschätzbar halten. Es genügt freilich nicht, nur über die unmittelbaren Folgen nachzudenken. Die Schwäche in vielen Emerging Markets ist auf die niedrigen Öl- und Rohstoffpreise zurückzuführen. Neue politische Krisenherde könnten entstehen. Denkbar ist auch, dass es zu Staatspleiten kommt. Wie geht es weiter? Niemand kann all die Variablen bewerten, die den Ölpreis beeinflussen. Diejenigen, die noch viel niedrigere Preise für die nächsten Monate vorhersagen, könnten also durchaus Recht behalten. Das könnte zu neuerlichen Kursverlusten an den Aktienmärkten führen. Es gibt aber einige Fakten, die dagegen sprechen, dass der Ölpreis über eine längere Frist so niedrig bleibt:

  • Das billige Rohöl hat dazu geführt, dass Investitionen in neue Förderkapazitäten massiv gekürzt wurden. Jedes Barrel Öl, das heute gefördert wird, muss durch neue Reserven ersetzt werden. Anderenfalls wird das Angebot bald hinter der Nachfrage zurückfallen.
  • Neue Kapazitäten rechnen sich nur bei einem höheren Ölpreis. Die Ölindustrie wird Investitionen solange zurückstellen, bis sie deutlich höhere Preise sieht. Das Risiko dabei ist, dass der Preis dann stark ansteigt, weil es einige Zeit braucht, bis neue Ölquellen zu sprudeln beginnen. Auf den Überfluss könnte also in einiger Zeit eine Phase der Verknappung folgen.

  • Bio-Treibstoffe (z. B. Ethanol) sind nicht für eine 30-Dollar-Erdöl-Welt ausgelegt. Das gilt auch für Solarzellen, Windenergie oder das Elektroauto. Alle diese Technologien fahren in diesem Umfeld bergauf gegen den Wind. Sie rechnen sich nicht, solange der Ölpreis so niedrig ist. Reiche Länder können alternative Energieformen zwar subventionieren und dem Absatz von Tesla-Fahrzeugen tut es wahrscheinlich auch keinen Abbruch, aber erst bei einem wesentlich höheren Ölpreis werden diese Technologien wieder als breitenwirksame Faktoren ins Spiel kommen.

Doch all das ändert nichts am gegenwärtigen Bild: Wir befinden uns in den frühen Phasen eines langwierigen Heilungsprozesses. Die Investoren werden wohl noch für geraume Zeit zwischen Hoffnung und Enttäuschung schwanken. Für Anwälte und Masseverwalter werden die Geschäfte hingegen gut gehen. Das aktuelle Umfeld bietet aus unserer Sicht aber auch eine gute Gelegenheit, um in qualitativ hochwertige Energietitel bzw. -Aktien zu attraktiven Preisen zu investieren. Wichtig dabei ist, auf die höchste Qualität hinsichtlich der Bilanz und der internationalen Ausrichtung der betreffenden Unternehmen zu achten. Autor: Mag.(FH) Jakob Frauenschuh, CFA Asset Management Schoellerbank AG Tel. +43/662/86 84-2751 Rückfragen bitte auch an: Marcus Hirschvogl, BA Pressesprecher Schoellerbank AG Tel. +43/1/534 71-2950 1010 Wien, Renngasse 3


Die Schoellerbank, gegründet 1833, ist eine der führenden Privatbanken Österreichs, die als Spezialist für anspruchsvolle Vermögensanlage gilt. Sie konzentriert sich auf die Kernkompetenzen Vermögensanlageberatung, Vermögensverwaltung und Vorsorgemanagement. Ihre Anlagephilosophie definiert sich über das Motto "Investieren statt Spekulieren". Die Schoellerbank ist mit 10 Standorten und 315 Mitarbeitern die einzige österreichweit vertretene Privatbank. Sie verwaltet für private und institutionelle Anleger ein Vermögen von mehr als 10 Milliarden Euro. Die Schoellerbank ist eine 100%ige Tochter der UniCredit Bank Austria. Mehr Informationen unter: www.schoellerbank.at.

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